Eine Warnung vorweg
Da wir drei Kladjtanten in gut maraskanischer Manier die Klappe (bzw. die Finger) mal wieder nicht halten konnten, ist der nachfolgende Bericht sehr lang geworden. Wir hoffen, dass in Zeiten, in denen Menschen stundenlang bei YouTube anderen Menschen beim Spielen zuschauen, es auch noch jemanden da draußen gibt, der 30 Minuten andere gedanklich beim Spielen begleiten kann. Falls nicht, hier ein kleiner Tipp: Einfach jemanden bitten, den folgenden Bericht vor laufender Kamera vorzulesen und das Ganze danach im Internet hochzuladen. Das Resultat kann man sich dann bequem auf dem Smartphone anschauen.
Um die Lektüre zu erleichtern, haben wir viele Binnenüberschriften verwendet, die in folgender Auflistung jeweils verlinkt sind, so dass jede(r) bei Bedarf auch direkt zu den Textstellen springen kann, die ihn oder sie besonders interessieren. Wir wünschen allen Interessierten auf jeden Fall viel Spaß beim Lesen!
- Die Helden der Geschichte: Unsere Gruppe
- Der Einstieg – Auf dem Weg in den Keiler
- Auftritt des Schurken – Graf Greifax stellt sich vor
- Die Flucht – Ab durch die Mitte (des Weinfasses)!
- Heroisch – Das erste Blut
- Orks, Orks, Orks! Sprüche, Sprüche, Sprüche! Ausrüstung, Ausrüstung, Ausrüstung!
- Überraschende Gewölbebewohner, Teil 1: Um sechs kommt die Echs!
- Überraschende Gewölbebewohner, Teil 2: Tatzelwurm, ick hör dir trappsen – auf sehr engem Raum
- Der brutale Schlussakkord: Trollwütig ins Finale
- Fazit
- Nachtrag
Die Helden der Geschichte: Unsere Gruppe
Imion Minzenheil: Elf aus einer Exilelfenfamilie in Havena, gelernter Gärtner (Spezialisierung: Flora der Mursape). Mag: gesicherte Verhältnisse, frische Luft, freundliche Umgangsformen; hasst: angreifende Monster, unterirdische Gänge, Gewalt als Lösungsmittel; braucht: Abwechslung, Geld, alles andere als noch einen überschwemmten Vorgarten im Frühjahr; kann: erstaunlich gut draufhauen und gelegentlich zaubern. Ist damit für den Keiler geeignet, aber etwas verdrossen unterwegs. Gespielt von Märchenonkel Vibart.
Alrik Zanderzwinge*: Krieger mit Ausbildung in Baliho, aber eigentlich aus Havena und mit Grundkenntnissen in der Gerberei (aus Gründen, die weiter unten erläutert werden). Mag: Streitwagen; hasst: den Geruch von Gerbermitteln am Morgen; braucht: Geld, um seiner Mama einen Brief schreiben zu können, in dem steht, dass es ihm gut geht und er sich auch warm genug anzieht (Begründung auch hierfür: siehe unten); kann: Streitwagen fahren, pathetische Motivationsreden halten, stur ohne Anflug von Selbstzweifel weitermachen, was immer er gerade macht. Gespielt von Märchenonkel Josch.
* So etwas passiert, wenn man Namen konsequent auswürfelt.
Brogomboglosch Sohn des …**: das tapfere Schneiderlein. Mag: Gold, Gold, und manchmal auch Juwelen; hasst: Fragen danach, ob die altehrwürdige Schneiderkunst denn einem Zwergen gut zu Gesicht steht; braucht: eine Bestätigung seiner Zwergenheit durch Erleben möglichst zwergischer Erlebnisse und Sammeln möglichst vieler zwergischer Kulturgüter (vulgo: Gold und Juwelen); kann: die Axt schwingen, den Ratgeber in der Not geben (sprich: das Meistersprachrohr mit der Lizenz zum Zaunpfahlwinken). Gespielt von Märchenonkel und Meisterautorität der ganz alten Schule Thorjin.
** Für mehr Buchstaben hat es auf dem Heldenbogen leider nicht gereicht, und schon den Vornamen konnte sich keiner so richtig merken.
Der Einstieg – Auf dem Weg in den Keiler
Bevor es losgeht, erörtern wir eine wichtige Frage: Wer hat den Keiler überhaupt geschrieben? Falls es Werner Fuchs war, und nicht etwa Ulrich Kiesow, dann brauchen wir kein Charakterspiel zu bemühen, sondern können von Beginn an munter drauf loshauen, was das Zeug hält. So argumentiert Josch. Er weiß auf Rückfrage aber auch nicht, woher er dieses Argument nimmt und wen er damit zu überzeugen hofft. Letztendlich ist es auch gleichgültig, den Autor finden wir so schnell nämlich nicht heraus, denn es gibt keine Angabe im Abenteuer. Dafür bemerken wir, dass Oberhipster Thorjin die originale Erstauflage verwendet. Mit dem ersten Bild freuen wir uns über Brian Talbot, dann beginn das Abenteuer stilecht mit … sehr viel Vorlesetext. Aus diesem können wir entnehmen, dass wir alle aus Havena kommen, dort als Kinder von Handwerkern arbeiten mussten, und, weil uns die Abenteuerlust packte, schließlich mit Erlaubnis unserer Eltern in die Welt hinauszogen, um Gevatter Karolus mit seinen Waren in den Kosch zu begleiten.
Na gut, dann kommen der Zwerg, der Elf und der Krieger mit Ausbildung in Baliho halt aus Havena und haben dort als Handwerker geschuftet, und so arbeiten wir geistig alle in Windeseile unsere Vorgeschichten um. Immerhin werden wir im Text als junge Leute bezeichnet, das hatten wir lange nicht mehr. Als Nächstes erfahren wir, dass wir im Wirtshaus zum Schwarzen Keiler übernachten wollen, dass wir dort Zimmer beziehen und etwas trinken, und dass wir dann unsere Helden auswürfeln. Bitte wie? Nix da, wir haben unsere eigenen mitgebracht, und mit denen spielen wir jetzt. Soweit kommt das noch! Vibart ist derweil begeistert, dass es einen völlig überflüssigen Plan des Keilers gibt, den wir für genau zehn Sekunden betrachten. Alrik hingegen ist frustriert, weil er nach der Ausbildung zurück nach Havena musste, um dort als Gerber zu arbeiten, da er keine passende Anstellung als ausgebildeter Krieger gefunden hat. Nach kurzem Zögern nehmen Thorjin und Vibart den Ball auf und wir spielen kurz aus, welcher Art von Handwerksberuf wir entflohen sind. Imion entstammt einer Generation von Gärtnern, die den Stadtpark von Havena betreuen. (Kurze Verwirrung: War der zu DSA1-Zeiten nicht wg. Mordserien und dergleichen geschlossen? Imion grinst wissend – niemand hat gesagt, dass der Job einfach ist, und es gab schließlich gute Gründe, nicht in Vaters Fußstapfen zu treten.) Unser Zwerg, dessen Namen wir nicht aussprechen können, weshalb wir uns schnell auf „Brobo“ oder einfach nur „Bro!“ einigen, erwähnt am Rande, seine Eltern seien Schneider. Bevor wir jetzt aber unser Erstaunen zum Ausdruck bringen oder die Hintergrundkompatibilität dieser Idee prüfen können, wird unser Versuch rollenspielerischer Interaktion jäh unterbrochen, denn: Es ist noch Vorlesetext übrig, und Thorjin ist heute nicht zu Diskussionen aufgelegt. Das wird jetzt erst mal alles weggelesen hier! DSA1 bedeutet schließlich: Der Meister hat immer recht, das Wort des Meisters steht über allem, und als schäbiger Spieler ist man es noch nicht einmal wert, dem ehrwürdigen Meister die Füße zu küssen. Nicht umsonst heißt das Regelbuch hier „Das Gesetz des Schwarzen Auges“, und nicht „Die kuschelpädagogische Liste von Anregungen zum gewaltfreien Diskurs des Schwarzen Auges“. Daher hören wir brav weiter zu, erfahren, dass fragwürdiges Anmachen von Schankmädchen schon anno ’84 groß in Mode war und schnappen eine Unterhaltung am Nebentisch auf. Nach allem, was wir so mitbekommen, ist Graf Greifax nicht unbedingt Träger des Sympathieordens am flauschigen Band, sondern wirkt in seinem Versuch, Gratenfels zu neuer Größe zu führen, sehr konflikt- und fehdefreudig. Vorsichtig formuliert.
Auftritt des Schurken – Graf Greifax stellt sich vor
Aber kein Grund zur Sorge, oder? Zumindest der Vorlesetext betont elegant-zynisch gleich mehrfach, dass das ja alles nicht unsere Probleme seien, weil wir ja schon morgen auf dem Weiterweg seien. Haha. Denn schon geht es los: Zack, steht der Graf mit gefühlt 100 Soldaten in der Hütte! Zack, soll man irgendeinen blöden Spruch aufsagen! Zack, labert Alrik brav und plotfreundlich irgendeinen Unsinn von „Rondra zum Gruße!“, bis Vibart uns zu verstehen gibt, dass er heute in Plotspreng-Laune ist, und einen „Bannbaladin“ auf den Grafen selbst spricht. Wir warten gespannt, wie der Meister diesen Angriff auf die Heiligkeit des Abenteuer-Einstiegs abwendet, aber Thorjin löst die dreiste Herausforderung souverän. Nach DSA1-Regeln hängt der Erfolg des Zaubers von der MK des Bezauberten ab. Aber Hesindehilf! Für den Grafen gibt es gar keine MK im Text. Was tun? Wir einigen uns darauf, dass dessen MK auf jeden Fall höher ausfallen muss als bei einem Neandertaler, worauf feststeht, dass der Zauber scheitert und es eher kontraproduktiv ist, paranoide Autokraten zu verzaubern, wenn man seine Harmlosigkeit beweisen will. Aber immerhin: Der Einstieg ist gerettet.
Die Ansammlung von Opportunisten und Duckmäusern, die sich hier Wirtshausbesucher nennen, sind nämlich keine Hilfe, und in drei Sätzen Vorlesetext werden wir entwaffnet und gefesselt, so dass uns nur noch Knüppel oder Dolch und Waffenrock bleiben. Thorjin, der Streber, hatte das natürlich schon gleich auf seinem Bogen markiert, Vibart und Josch hatten brav alle verbliebenen Heller im Basarkapitel des Regelbuches verplempert und gucken jetzt doof aus dem wattierten Waffenrock. Josch ärgert sich besonders: Das ganze Powergaming-Maximieren bei der Rüstungswahl erweist sich als völlig umsonst. Die ganze Ausrüstung noch vor dem ersten echten Abenteuer für den Popo! Und sie war so schön in den ausfüllbaren Heldenbogen eingetragen worden, den man jetzt nicht mal ausradieren kann. Nur RS 2 und einen Dolch. Da hätte man ja auch einen Magier generieren können! Aber keine Zeit zu jammern, denn schon liegen wir im Weinkeller mit zwei weiteren unglücklichen Gratenfelsern gefangen, bei denen wir uns zumindest etwas weiter umhören können. Welche Infos wir hierbei erhalten, wird selbstredend ausgewürfelt. Hier die Ergebnisse:
- Erkenntnis #1: Fremde sind in Gratenfels nicht gern gesehen. Schön, es liegt also nicht an uns, es ist nur ein unbestimmter Rechtsruck in der Gratenfelser Politik, den als Leidtragende mal wieder die Zivilbevölkerung (genauer: der Zivilelf, der Zivilzwerg und der Zivilgerbermitzusatzausbildung) zu spüren bekommen. Aber gut, dass wir nochmal nachgefragt haben, es wäre wirklich misslich gewesen, wenn wir uns nur aufgrund eines kulturellen Missverständnisses ungeliebt fühlen würden.
- Erkenntnis #2: Die Gegend um Gratenfels ist mit Gewürm verseucht. Gewürm? Was für Gewürm denn? Keine Zeit für Rückfragen, denn Erkenntnis #3 muss ausgewürfelt werden:
- Erkenntnis #3: Früher soll in der Nähe von Gratenfels ein Bergwerk existiert haben. Das ist hier ja wie in der alten Nordlandtrilogie. („Hallo, mein Name ist Dani Joggurtson, und meine Information lautet: Geht doch mal nach Salzahaven, da spukt es!“) Immerhin: Wenn wir aus dem Weinkeller jemals lebend raus kommen, haben wir schon zwei neue Berufsperspektiven – Würmjäger oder Bergarbeiter. Verrückt, nachdem man uns gerade einkerkern wollte? Nicht, wenn man stattdessen als Gerber oder Schneider oder Parkwächter in Havena schuften muss. Das wohl!
Dessen ungeachtet hatten wir uns das Abenteurerleben etwas anders vorgestellt. Nächstes Mal also doch besser auf Muttern hören und brav das Wirselkraut gießen/die Felle gerben/die Löcher im Komtessenkleid stopfen (Nichtzutreffendes bitte streichen)? Nein, denn jetzt ist erst einmal Schluss mit der Resignation! Unsere Befreiungsversuche werden leider trotz akutem Motivationsanfall schon im Keim erstickt, da es noch kein passendes Talent „Entfesseln“ gibt (lies: weil der Plot es so will). Um uns die Zeit zu vertreiben, beleidigen wir den Grafen in Abwesenheit und ziehen ein erstes Resümee: 19:55 Uhr, 20 Minuten gespielt, S. 19 des Abenteuer, und noch keine Entscheidung wirklich selbst treffen können. Läuft.
Die Flucht – Ab durch die Mitte (des Weinfasses)!
Aber jetzt geht es los! Die gute Leti lässt uns ohne Rücksicht auf ihr eigenes Wohl ein Messer zukommen und gibt uns den zentralen Hinweis, dass wir durch das mittlere Fass fliehen können. Ob das für sie wohl gut ausgeht? (Tut es, wie wir aus eigener Erfahrung mit dem Abenteuer Unheil im Schwarzen Keiler etwa 30 Jahre später sagen können). Also keine Skrupel und losgeflohen, dazu gleich noch ein neues Bild zur Illustration bestaunt, auf dem der fliehende Held im Unterschied zu uns bereits eine Fackel besitzt. Das lassen wir nicht auf uns sitzen, und Imion glänzt sofort mit einem Flim Flam. Damit haben wir nicht nur den ersten erfolgreichen Zauber, sondern auch das erste schlechte Wortspiel des Abends hinter uns gebracht. Ab jetzt geht es nur noch bergauf – bzw. erst einmal bergab ins Verlies, wo alles modrig und voller Schimmelpilz ist. Gut, dass es bei DSA1 noch keine Nachteile wie Zwanghafte Reinlichkeit oder Interesse an der eigenen Gesundheit gibt. Ob wir bei unseren ersten zaghaften Gehversuchen im Gewölbe stolpern, entscheidet der W6! Also keine Gewandtheitsprobe (eine Eigenschaft, die es noch gar nicht gibt) bzw. Geschicklichkeitsprobe. Immerhin dürfen wir selbst würfeln. Ein Hauch von Entscheidungsfreiheit weht durch den Gang und gibt uns Rückenwind. Kein Stolpern, kein Zaudern, kein anderes Bier. Die selbst verliehene Note für uns bislang: 1 mit Sternchen, ohne Abzüge in der B-Note, und das alles völlig ohne Einsatz von Doping.
Ach, die gute alte DSA1-Zeit: Zu Beginn jeder Raumbeschreibung werden erst einmal die Maße vorgelesen. Thorjin zieht das konsequent durch, die Oldschool-Stimmung steigt entsprechend. Apropos Oldschool-Stimmung: Die erste Rumpelkammer ist in Gehreichweite, sogleich wird von uns die uralte Dungeon-Regel Nr. 1 zitiert und befolgt: Alles wird rücksichtslos und gründlich durchsucht. Das Ergebnis: eine neue Waffe, eine neue Rüstung und ein neuer Schild. („Neu“ hier zu verstehen im Sinne von: vorher noch nicht in unserem Besitz, über die sonstigen Details reden wir lieber nicht.) Dazu eine Spitzhacke und ein Brecheisen als Waffen. Letzteres glänzt durch einen niedrigen BF, weil … der im Abenteuer anzugeben vergessen wurde. Solche Regellücken muss man schamlos ausnutzen, wenn man den Tyrannen an die Kehle will. Die erste erfolgreich aufgebrochene Truhe bringt uns zudem 16 Fackeln plus Feuerstein und Zunder sowie die Frage, wie wir eigentlich ohne magisches Licht bis zu diesem Punkt gekommen wären. Immerhin verfügen wir jetzt über ausreichend Licht bis zum Ende des Abenteuers. Oder?
Ganz so einfach ist die Sache dann doch wieder nicht, denn – Peinlicher Oberfail! – weder im Abenteuer noch im Regelbuch wird gesetzt, wie lange Pechfackeln halten. Vermutlich musste man dafür die Werkzeuge des Meisters kaufen. Alter Schwede, skrupelloser Rollenspiel-Raubtierkapitalismus war also schon zu DSA1-Zeiten in Mode, und wer weiß, wie viele ahnungslose Teenager wohl damals ihr sauer mit Pfandflaschensammeln aufgemotztes Taschengeld zum Fenster rausgeworfen haben, um endlich zu erfahren, wie lange eine Standardpechfackel offiziell hält. („Ich, ich!“ schreit Vibart. Aber die kleinen Pappfiguren hat er immerhin heute noch und wäre damit der Star auf jedem DSA1-Festival.) Noch bevor Josch einen langen Erratumseintrag für das Wiki konzipieren und sich in mindestens drei Foren parallel beschweren kann, löst Thorjin das Problem durch Einsatz der Sonderfertigkeit Gesunder Menschenverstand, und die gute Stimmung am virtuellen Spieltisch ist vorerst gerettet.
Dafür eine neue Herausforderung: Grube im Gangboden! Für uns und unseren neu gewonnen Enthusiasmus aber kein Problem, da legen wir einfach Bretter drüber, die wir aus einem alten Schrank gewinnen, und dann – Hammerzeit! – nageln wir diese fest. Gesagt und nicht getan, denn obwohl wir laut Vorlesetext alle Handwerkskinder sind, haben wir uns wohl alle für die falschen Professionen entschieden. Trotzdem gelingt uns das Nageln dank Meistergnade, für die wir den zweiten schlechten Wortwitz des Abends („behämmerte Idee“) anstandslos über uns ergehen lassen.
Schön an DSA1: Die Gabe Zwergeninstinkt. Dank dieser finden wir die erste Geheimtür und kurze Zeit später auch einen dazu passenden Hebel. Das erste Rätsel des Abends wurde daher eigenständig gelöst. Na gut, fast – der Zwerg gehört dem Meister, aber immerhin war es jemand aus unserer Gruppe. Direkt im Anschluss wirft uns das Abenteuer plötzlich mit einer schockierenden Entscheidungsfreiheit völlig aus der Bahn: Mehrere verschiedene Abzweigungen und Gänge mit verschiedene Möglichkeiten, das unterirdische Gewölbe zu erkunden, harren der Entdeckung. Kein Vorlesetext und kein Wink mit dem Zaunpfahl sagen uns, was zu tun ist. Nach erfolgreicher Mutprobe bedienen wir uns schnurstracks unseres eigenen Verstandes und gehen weiter. Genauer: schleichen weiter. Wir sind ja keine Anfänger.
Jetzt fällt uns auf: Hier steht sehr viel unter Wasser. Nähern wir uns etwa Wahjad? Kommen gleich Krakonier? Das hier ist schließlich DSA1, da weiß man nie, wo die Moppelfrösche plötzlich auftauchen. Unser Zwerg nimmt uns diese Sorgen durch einen kleinen Informationsvortrag, und nebenbei erfahren wir noch ein wenig über die Struktur und Bauweise von unterirdischen Stollen von Brobo, dem tapferen Schneiderlein, dem das Blut seiner Ahnen also doch noch irgendwo durch die Venen fließt. Das animiert Vibart sogleich zu einer Lobeshymne im Klopstock-Ton! („Wie schön, dass wir mit Dir, mein werter Brobo, einen Einheimischen unter uns wissen!“ Brobo: „Ich bin aus Havena.“ „Na gut, dann also einen Unterderischen. Ich meine einen Unterheimischen.“ Ihr seht, wo das hinführt.)
Heroisch – Das erste Blut
Gerade, als wir erleichtert zur Kenntnis genommen haben, dass wir uns nicht auf Begegnungen mit Krakoniern einstellen müssen, bricht die erste Katastrophe des Abends über uns herein: Drei Ratten! Igittigitt. Und fies, denn wie jeder DSA1-Veteran weiß: Die umgehen den RS und machen direkt SP. Zudem kämpfen sie, wie gute fanatische Namenlosenkultisten, auch ohne Chance auf Erfolg bis zum Tod. Das kann also böse enden. Immerhin sind wir mutiger als das bruderlose Geschmeiß und haben daher die Initiative. Zeit für die erste Attacke und die erste flammende Motivationsrede beim Sich-in-den-Kampf-stürzen. Ihr Auftritt, Alrik Zanderzwinge!
Alrik: „Bei der Sturmherrin Rondra, spüre den kalten Stahl meines … Stemmeisens, du … dreckige Ratte“.
Verhaltener Applaus.
Unseren ersten Kampf hatten wir uns zwar alles in allem heroischer vorgestellt, aber man nimmt zu Beginn der Abenteuerkarriere, was man vermöbeln kann. Immerhin kann „3 gegen 3“ auch vor den Augen Rondras noch als faires Duell durchgehen. Wir machen jetzt kurzen Prozess: Mörderischer Schlag durch Alrik! Mörderischer Schlag durch Imion! Das heißt nach DSA1-Regeln, denen wir auch diesen martialischen Namen verdanken: Bei 1 oder 2 auf W20 keine Parade und direkt Schadenspunkte auswürfeln. Gegen Gegner, die weder PA noch RS haben, ist das zwar ohne besonderen Effekt, aber wir lassen uns die Stimmung dadurch nicht vermiesen. Die dritte Ratte wird durch Brobo in den Boden gestampft, und wir feiern den ersten Sieg: 2 AP für jeden, alle sind unverletzt. Darauf erst einmal eine kleine Siegespolonäse. Im Zuge derer finden wir in einer Pfütze einen weiteren Schild älteren Datums und erklären den Ausdruck „Gammelschild“ zum Unwort des Abends. Den Schild erhält der Zwerg, da der nach verbreiteter Meinung (2 von 3 Gruppenmitgliedern) eh schon riecht wie Goblin unter der Achsel.
Als nächstes versuchen wir, einen Sims zu erklettern, um endlich mal eine KK-Probe würfeln zu dürfen. Dort oben finden wir einen Speer: W+3, keine Abzüge auf AT oder PA, das kann sich sehen lassen. In einem Korb finden wir zudem einen Trank, und mittels der unfehlbaren DSA1-Methode zur Bestimmung magischer Tränke (Imion schnüffelt dran) stellen wir fest: ein Heiltrank. Das nächstes Highlight lässt dann auch nicht lange auf sich warten: eine alte Senkgrube. Elegant überqueren wir diese ohne Reinfall. Gut für den Elfen, gut für die Gruppenstimmung. Jetzt aber schon wieder zahlreiche Wegabzweigungen, und die entstehende Entscheidungsagonie versuchen wir mit einer Reihe von Sprichwörtern und Sentenzen zu überbrücken, was den unangenehmen Nebeneffekt hat, dass Alrik sich für den Rest des Abends vor allem mithilfe von Schiller-Zitaten verständigt. Am Ende der Debatte entscheiden wir uns dafür, ins Licht zu gehen, auch wenn das vermutlich mehr Kloppe bedeutet und der Begriff „ins Licht gehen“ für Imion etwas vorbelastet ist (sprich: Mama ihm das eigentlich untersagt hatte).
Orks, Orks, Orks! Sprüche, Sprüche, Sprüche! Ausrüstung, Ausrüstung, Ausrüstung!
Aber aufgepasst! Wir hören wen grunzen. Dank Balihoer Spezialausbildung weiß Alrik: Das sind Orks. Doof, dass gerade kein Streitwagen zur Verfügung steht. Dann muss es halt mit Speer und Stemmeisen gehen. Bevor es zum Kampf kommt, muss der Meister zunächst aber noch ausführlich die Maße der Gänge auf dem Plan des Schicksals erklären. Wir entdecken die beiden Orks hinter einem Ledervorhang beim Würfeln. Nachdem wir uns mit den Ratten schon warmprügeln konnten, gibt es nun den wirklich großen ersten Auftritt, den wir in drei Schritten vorbereiten:
- Schritt 1: Vorhang zur Seite reißen – Gelingt.
- Schritt 2: Mit großer Geste und mächtigem Spruch auf den Lippen hineinstürmen („Mach deine Rechnung mit dem Himmel, Ork!“) – Geht so noch durch.
- Schritt 3: Alles kurz und klein hauen – Fällt beinahe aus.
Warum? Weil wir in diesem Moment beschämt feststellen, dass wir links und rechts vertauscht haben und bei strenger Auslegung gerade in den falschen Raum gelaufen sind. Der Meister ist aber gnädig und tauscht geschwind die Raumnummern, so dass es jetzt endlich zum Kampf kommt.
Die Orks schreien zur Begrüßung etwas zurück, das rein vom Wortklang angesichts magerer Orkischkenntnisse unsererseits und mangels Regeln zum Sprachenkennen entweder als Ruf nach Hilfe oder als Aufforderung zum Geschlechtsverkehr interpretiert werden könnte. DSA 1 – alles kann, nichts muss. Aber beim ersten Date wählt ein aventurischer Urheld immer die unbedenkliche Alternative des Angriffs, also wird vom Plan nicht abgewichen. Gut für uns: Unsere Gegner sind DSA1-Orks, und das heißt: Ganz miese Kampfwerte. Und wir sind zu dritt. Auf rondragefälligen Zweikampf haben Wesen mit MK laut Josch keinen Anspruch, also: Überzahl! Haben wir mit unserem Überraschungsangriff eigentlich automatisch die ersten Attacken? Es folgt die erste Regeldiskussion des Abends, die wir zu unseren Gunsten entscheiden.
Die ersten Runden laufen so lala. Viele 20er, aber immerhin gibt es noch keine Patzer-Regeln. Außerdem dürften Monster keinen mörderischen Schlag machen, sonst hätte es in den ersten Kampfrunden ganz schön böse für uns ausgehen. Dann aber trifft Verstärkung für die Orks ein, und plötzlich sind wir in Unterzahl. Alrik nimmt es heldenhaft mit zwei Orks auf, denn: Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt. Zum Dank gibt es den ersten richtig harten Treffer des Abends gegen ihn. Aua!
Jetzt Knaller: Der Elf würfelt stilecht lauter Elfer. Da aber alle Helden bei DSA1 mit AT-Werten von 10 beginnen, ist uns damit jenseits eines dankbaren Wortspiels wenig geholfen. Da übrigens auch ausgebildete Balihoer Krieger und tapfere Schneiderleinzwerge mit einem AT-Wert von 10 starten, mündet der erste Kampf in ein heiteres Würfelfest ohne nennenswerte Treffer in den ersten 10 Kampfrunden. Die ersten Paraden des Abends ziehen zudem die gefürchteten Bruchfaktorproben nach sich, bislang halten unsere morschen Waffen aber tapfer aus. Während Brobo und Alrik sich weiterhin zum Deppen machen, hat Imion irgendwann die Faxen dicke und beginnt, einen Ork nach dem anderen umzusensen, bis sein morsches Schwert sein Leben aushaucht und zerbricht. Immerhin hat auch Alrik einen seiner Orks inzwischen erledigt. Schwere Geburt bzw. … schweres Gegenteil von Geburt. Damit die verbleibenden Orks gar nicht erst auf dumme Gedanken kommen, packt Imion, immer noch im Blutrausch-Modus, jetzt den Fulminictus raus, und zu dritt geben wir dem letzten noch verbleibenden Ork den Rest.
Dann Sieg und Fanfarenschall, es hebt die Freiheit lächelnd ihre Fahne. Zur Belohnung gibt es Cola, für jeden ein Krummschwert, das dem besiegten Ork abgenommen wird, noch einen Schild und mehr AP. Wer will, kann jetzt noch mal vom Heiltrank süffeln, und dann geht’s weiter. Was bewirkt der Heiltrank überhaupt? Das Abenteuer schweigt sich aus, das Regelwerk sagt „Entscheidet der Meister“, und während Josch noch dabei ist, dem Pad, auf dem er nebenbei protokolliert, die Autokorrektur zu „Geiltrank“ auszutreiben, legt sich Thorjin auf 3W6 pro Anwendung (bei 2 Rationen) fest. Mit neu gewonnener Frische machen wir weiter mit dem Leichenfleddern bzw. Looten und freuen uns über 26,6 Silbertaler und 11 AP pro Nase. Pädagogisch höchst fragwürdig: Orks totzuhauen bringt deutlich mehr Geld, als harmlose Händler in den Kosch zu begleiten. So langsam verstehen wir die besorgten Interventionsversuche unserer Religionslehrer in der 6. Klasse, wenn wir in der Pause mit DSA-Büchern alleine auf dem Schulhof saßen. Zufällig fällt Thorjin jetzt auf: Der Speer ist bei DSA1 eine Fernkampfwaffe, was erklärt, warum es keinen AT/PA-Malus gab. Josch ist der Ansicht, dass es auch erklärt, warum Alrik sich bislang so blamierte. Alles wird besser mit orkischem Krummschwert (aber bitte den Kameraden aus Baliho nichts davon erzählen).
Zwischenbilanz: 13 AP gewonnen, 10 LP verloren. Wenn das so weiter geht, wird das nichts mit Stufe 2 heute Abend.
Weitere Recherchen führen zu Tage: DSA1-Orks können lesen, denn wir finden einen ausführlichen Wachplan. Zeit für Empörung ist nun auch: Orks im Verbund mit einem Grafen von Praios’ Gnaden? Es lebt ein Gott, zu strafen und zu rächen! In einem Anflug von Größenwahn schwören wir, dem Grafen das Handwerk zu legen, sobald wir hier rauskommen. Uns doch egal, ob das Abenteuer das vorsieht, und dass wir gerade nicht wissen, wo Norden und Süden ist. Weitere Erkundungen lassen uns verdächtige Geräusche hören. Erneut schleicht sich Imion elegant an. Phex sei Dank, was Gärtner heute so alles in der Ausbildung lernen.
Überraschende Gewölbebewohner, Teil 1: Um sechs kommt die Echs!
Jetzt aber Kulturschock: Echsenmenschen. Im Mittelreich. Unter dem Keiler. Den Teil des Abenteuers hatten wir alle erfolgreich verdrängt. Wir sind perplex. Was tun? Na gut, eigentlich stellt sich die Frage natürlich nicht. Der Echs hat eine MK, ist also ein Monster, also wird er platt gemacht. So steht es geschrieben, so ist es Tradition, so wird es getan. Imion möchte dennoch lieber verhandeln und entschuldigt sich daher wortreich, als er die erste Echse mit einem mörderischen Schlag aus den Pantoffeln wuchtet. Im Gegenzug erst der mörderische Schlag gegen, dann von Alrik. Maximaler Schaden. Echs und hopp. Echsitus. Echs-Echsenmensch. Josch hatte noch mehr aus der Kategorie zu sagen, aber wir breiten lieber den Mantel des Schweigens darüber aus.
Die schlechte Nachricht: Der Heiltrank ist aufgebraucht. Die gute dafür: Eine weitere Truhe wartet darauf, rücksichtslos geplündert zu werden. Wichtigste Ausbeute diesmal: ein lederner Tragebeutel. Dafür also haben wir zwei Echsen getötet. Kurzer Anfall von schlechtem Gewissen. Wir beschließen, zum Gedenken an die sinnlos Gemeuchelten eine Edeltrash-Boutique in Havena zu eröffnen und den Beutel dort als erstes Echsponat zu verkaufen. Mitten in Grübelei und Businessplan platzen aber Lärm und mehr Licht sowie die Frage: Was müssen wir wohl als nächstes umnieten? Ein weiteres Anschleichen, und wir stellen fest: Wir haben eine geheime Münzgießerei gefunden, in der Goblins und Orks beschäftigt werden. Und das, obwohl die Gratenfelser Münzgießervereinigung weiterhin hohe Arbeitslosenzahlen vermerkt. Und auf uns reagiert man fremdenfeindlich! Soweit war es mit der „Kauft Gratenfelser Produkte, stellt Gratenfelser ein!“-Maxime des Grafen dann wohl doch nicht her. Die Info wird bei nächster Gelegenheit sofort Gratenfelser Lokaljournalisten gesteckt. Als sie uns mit den orkischen Waffen ihrer Kollegen anstürmen sehen, tun die Orks und Goblins etwas für DSA1-Verhältnisse überraschend Sinnvolles: Sie fliehen. Wir wollen sie zwar erst verfolgen, erfahren dann aber, dass es AP für jede Form von Gegnerüberwindung gibt, daher lassen wir hier Gnade vor Recht ergehen. Als Belohnung erhält jeder von uns so 32 Silbertaler. Zwar Gratenfelser Gießmünzen, aber das merken die Trottel in Gratenfels doch eh nie. Unsere Boutique scheint finanzierbar, und wir lösen unser moralisches Dilemma geschickt mit dem Vorhaben, die illegalen Silbertaler einfach komplett in der Grafschaft Gratenfels auszugeben.
Inzwischen gibt es Fackeln an den Wänden sowie Türen und echte Wände. Wir nähern uns also der Zivilisation. Sind wir etwa bald am Dorf? Auch ein neuer Ledervorhang lädt zur Inspektion ein. Hinschleichen und vorsichtiges Hinter-den-Vorhang-Schauen bringen die Erkenntnis: Hier schlafen grobschlächtige Kreaturen in Lendenschürzen. Auch das hatten wir völlig verdrängt – Neandertaler. Auweia. Der Graf stellt wirklich grobflächig ein bei seinem Versuch, Gratenfels zu neuer Größe zu verhelfen.
Eine realistische Einschätzung unserer Konfliktlösungsstrategien wirft Imion in Agonie. Soll er uns von seiner Entdeckung erzählen, auch wenn dies zum nächsten Blutbad führt? Er tut es, und der Versuch, die Sache trotz glimpflich ausgehen zu lassen, scheitert an seinem Vergleich der entdeckten Wesenheiten mit Halborks. Die Folge: Sturmangriff. Die Keulen unserer armen Gegner zerbröseln unter unseren mächtigen Orksäbeln wie Staub. Tja, Herr Graf, billig gekauft ist halt zweimal gekauft. Was uns allerdings nicht gelingt, ist, einen der Altsteinzeitler aufzuhalten. Während also der Affenmensch nur mit einem Schlüssel bewaffnet durch die halbe Anlage hetzt und dabei fleißig Türen und Käfige entriegelt, prügeln Imion und Alrik auf den Schließbefugten ein, ohne ihn nennenswert zu verletzen. Verdammte Axt. Die Flucht endet in einer Höhle, wo der phexgesegnete Neandertaler jetzt den hässlichsten Tatzelwurm der Welt aus dem Käfig befreit und auf uns hetzt. So langsam begreifen wir, warum Travia die armen Neandertaler nicht leiden konnte.
Überraschende Gewölbebewohner, Teil 2: Tatzelwurm, ick hör dir trappsen – auf sehr engem Raum
Der Tatzelwurm ist also frei und uns auf den Fersen. Theoretisch. Denn eigentlich passt er nicht durch die Holztür, durch die wir jetzt problemlos aus der Höhle fliehen könnten. Also alles halb so wild. Zudem sehen wir frisches Tageslicht in die Höhle fallen. Kampflos verlassen wir diesen Ort aber sicher nicht. Alrik wollte von Kindesbeinen an Drachentöter werden, in der Hoffnung, irgendwann vielleicht einmal Protagonist eines pädagogisch wertvollen Kinderbuchs zu werden. Brobo macht bei Schuppenwesen und Leuten mit schlecht sitzenden Anzügen eh keine Gefangenen. Und Imion? Macht mit, weil sonst niemand mehr mit ihm spielt. Also auf ein Neues: Für Rondra, Praios und Ehre! Soweit, so gut. Nun aber erklärt uns Thorjin mit hämischem Grinsen – das wir durch die Skype-Konferenz hindurch förmlich spüren können – dass der Wurm zwei Attacken pro Runde hat. War das vielleicht doch keine so gute Idee mit der Karriereperspektive Drachentöter? Doch, war es, denn der jämmerliche Schwanzangriff des Wurms macht kaum Schaden. Also antreten zur Würmkur!
Das lässt sich der Wurm nicht zweimal sagen, denn, wie die Meisterinformationen so schön formulieren: Der Tatzelwurm ist durch seine lange Gefangenschaft sehr verdrossen und greift alles an. Dank RS 4 und hoher Lebensenergie ist der folgende Kampf alles andere als schnell vorbei, da der mörderische Schlag aber automatisch trifft und den RS umgeht, ist eine 3 zu 1 Überzahlsituation hier auf Dauer ein Garant für Erfolg. Sieg! Hurra! Und der Mörder war schon wieder der Gärtner. Da Thorjin uns mitteilt, dass die Neandertaler trotz ihres niedrigen Wortschatzes den Drachen abgerichtet hatten, wundert uns dessen semiprofessionelle Performance auch nicht mehr wirklich. Dies kann unseren Erfolg aber nicht schmälern, und im Siegestaumel verleihen wir uns selbst den Titel „Töter des tödlichen Tatzelwurms von Gratenfels“. Dazu gibt es 17 AP für jeden sowie zusätzliche AP für zwei überwundene Neandertaler, also 17 plus 24 durch 3 und 2 im Sinn macht … 25 AP für jeden!
Wir haben zudem den Ausgang gefunden. Wir könnten jetzt das Abenteuer jetzt beenden, unsere Kondition reicht aber noch für etwa 20 Minuten. Da das Abenteuer vorsieht, dass man 200 AP beim Verlassen des Gewölbes durch diesen Ausgang erhält, ziehen wir alle Asse aus dem Powergaming-Ärmel, verlassen kurz das Gewölbe, streichen die 200 AP, kehren dann aber zurück und können nun vor der Untersuchung 1-2 weiterer Räume erst einmal steigern. Ganz gerührt von soviel skrupelloser Wertmaximierung verleiht uns Thorjin den goldenen Nahema-Orden am purpurnen Band, dann wird hoffnungsfroh gewürfelt. Die LE-Boni für Stufe 2 fallen insgesamt eher mau aus, aber die neuen Eigenschaftswerte (mit zusätzlichem AT-Bonus für Imion wg. Steigerung der Geschicklichkeit auf 13 und Körperkraftzuschlag für Alrik) sowie die zusätzlichen AT/PA-Erhöhungen lassen für den Rest des Abends viel Gutes erwarten. Außerdem: vollständiges Steigern in zwei Minuten. Alles inklusive. Wir verdrücken eine kurze Freudenträne und machen uns dann auf, um die letzten 20 Minuten möglichst blutig – äh effektiv – zu nutzen.
Wir kommen nun in einen Raum, in dem zwei Söldner gerade eine Truhe mit Falschmünzen per Flaschenzug nach oben hieven wollen. Da sie hierfür ihre Waffen an der Wand ablegen mussten, schleicht sich Imion heimlich dorthin und klaut diese. Danach bieten wir den Söldnern großzügig an, sich zu ergeben. Deren Versuch, vorher noch die Kiste nach oben zu heben, macht uns allerdings so perplex, dass es bei Alrik diesmal nur für ein unpassendes Goethe-Zitat reicht. („Nach Freiheit strebt der Mann, das Weib nach Sitte.“) Danach werfen wir eiskalt die Seile mit Speeren durch. Weil. Wir. Es. Können. Die Söldner können jetzt nicht viel mehr tun, als sich zu ergeben. Wir fesseln sie und durchsuchen alles. Noch mehr falsche Silbertaler, und zwar 167 für jeden. Wir sind reich! Nie wieder Fegen im Park, Gerben in Eigenurin oder Schneidern von Zwerginnenbrautkleidern.
Der brutale Schlussakkord: Trollwütig ins Finale
Dann noch eine letzte Schocknachricht: Es gibt einen Troll im Gewölbe. Als Töter des tödlichen Tatzelwurms von Gratenfels können wir das selbstredend nicht auf uns sitzen lassen und machen uns daher sofort auf den Weg. Allein schon um des noch cooleren Titels willen, der da lautet: Töter des tödlichen Trolls und des tödlichen Tatzelwurms von Gratenfels. Zuvor handeln wir aber noch AP für die überwundenen Söldner heraus: Zwar haben die keine Monsterklasse, aber mehr als bei den Neandertalern sollte es schon sein. Thorjin sagt daher: 30. Nehmen wir, schließlich haben wir es eilig. Danach trollen wir uns (ja, ja, wir wissen selbst …) und genießen noch kurz das famose Übersichtsbild über alle Gegner im Dungeon, bevor die letzte Klopperei des Abends beginnt. Ein Goblin besteht zwar darauf, uns in diesem Kampf stetig in den Rücken zu fallen, wir demütigen ihn aber durch konsequentes Ignorieren und widmen unsere Aufmerksamkeit allein dem Troll. Der macht mit 3W6 TP zwar ordentlich Wumms, aber da der Balsam bei DSA1 noch keine Zauberdauer hat, sind wir tiefenentspannt wie eine Gruppe Zen-Mönche in der Morgenmeditation (die nebenbei einen Viermeterschrat massakrieren). Zumal uns jetzt wirklich alles in die Karten bzw. Würfel spielt: Die Troll-Keule zerbricht, ab jetzt nur 2W6 TP. Unsere neuen Kampfwerte machen sich auch positiv bemerkbar – Imion massakriert sich inzwischen mit einem AT-Wert von 12 durchs Gewölbe, und wir fahren so einen souveränen Erfolg ein. Nur noch sehr kurz inspizieren wir, was hinter einer verschlossenen Tür liegt, zu welcher der Troll den Schlüssel hatte – der Turm, den wir anfangs vom Keiler aus sehen konnten. Diesen Teil sparen wir uns dann aber, denn besser kann es nicht mehr werden, und man soll aufhören, wenn es am schönsten und der Gegner am totesten ist.
23:00 Uhr, nach 3:30 Stunden Nettospielzeit, heißt es also: Vivat Imion! Vivat Brobo! Vivat Alrik! Nieder mit dem Grafen! Friede dem Keiler, Krieg den Palästen! Die Revolution in Gratenfels wird wegen Müdigkeit jedoch zunächst vertagt. Unsere gestohlene Ausrüstung lassen wir auch hinter uns, schließlich sind wir jetzt, um es noch mal zu betonen, reich und können uns in Gratenfels neu ausrüsten. Oder gleich den Keiler kaufen. Zuvor gehen wir aber noch irgendwo eine Schlägerei mit verängstigten Goblins anzetteln, um die fehlenden AP für Stufe 3 zu sammeln. Thorjin informiert uns abschließend noch über einige wertvolle Dinge, die wir nicht gefunden haben (ein Schwert in der Latrine, ein Schmuckkasten in einem Wandloch). Bei einem gemütlichem Plausch über Logiklücken im Abenteuer lassen wir den Abend dann ausklingen und fragen uns, wie es wäre, einmal ein Abenteuer aus einer späteren Editionen konsequent mit DSA1 Basis-Regeln zu spielen. Vielleicht wagen wir schon bald einen Versuch. Spoiler: Es wird nicht die G7.
Fazit
Josch: Auch wenn wir alle den Keiler schon als Spieler und/oder Meister erlebt hatten, ist es beim Wiedereintauchen in diese vertraute Umgebung wie beim neuen Lesen eines bekannten Buches. Manches hat man vergessen, anderes fühlt sich diesmal ganz anders an als früher. Vergnüglich war es in jedem Fall. DSA1-Kämpfe sind viel Gewürfel, gerade am Anfang trifft man eher selten. Es geht aber trotzdem recht fix von der Hand, weil: keine Sonderfertigkeiten, keine Regeldiskussionen, kein Gedöns. Die DSA1-Regel zu kritischen Erfolgen ist recht clever und führt dazu, dass auch gegen Gegner mit hoher RS regelmäßig Schaden erzielt wird. Imion, der Mördergärtnerelf, war der eigentliche Schadensverteiler und heimliche Held der Gruppe. Dabei stets höflich und mit Gewissensbissen, was schon beinahe echtem RollenspielTM entspricht. Vibart erweist sich damit in einer Runde Oldschooler als wahre Progressivkraft. In diesem Sinne: „Mein ist der Helm, und mir gehört er zu.“ (Alrik beim Verlassen des Gewölbes angesichts eines lieblos am Wegesrand entsorgten Flügelhelms.)
Vibart: Wieder einmal im Schwarzen Keiler – ein wenig wie wenn man die Disco seiner Jugend wieder besucht und feststellt, dass es immer noch genauso aussieht wie vor XX Jahren (bei XX bitte eine zweistellige Zahl eigener Wahl einsetzen). Und doch blieb neben dem großen ironischen Spaß das Filetstück vom Keiler erstaunlich frisch. Ja, es war spürbar: Attacke 10, Parade 8 war hart. Aber: Ich empfand die Kämpfe trotzdem als spannend und temporeich. Der mörderische Schlag macht’s möglich. Erschreckenderweise ist mancher moderne DSA-Kampf, mit acht Manövern, drei Sonderfertigkeiten und minutenlangem Abwägen, ob ich lieber zuerst meinen Fußfeger einsetze und dann den Paradebuff (oder umgekehrt), für mich schon wesentlich langweiliger gewesen. Mehr taktische Auswahl gibt noch lange keine schöne Szene. Es war ja auch klar: Nostalgieonkel wie wir drei von der Schwankstelle hypen natürlich die gute alte Zeit wie Wulle und sehen mit einer rosaroten Brille auf diese Zeit, die jedes noch so gruslige Detail in ein Wolkenkuckucksheim verwandelt. Realistisch betrachtet wirkt der Schwarze Keiler neben einem modernen Abenteuer wohl definitiv wie ein Ford Modell T neben einem modernen autonomen E-Bus. Die Sache ist nur die: Es macht unglaublich viel Spaß, mit dem alten Ding ab und zu eine Runde zu drehen. In diesem Sinne: „Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern, in keiner Not uns trennen und Gefahr.“ (Alrik zu Imion und Brobo bei der feuchtfröhlichen Siegesfeier an Letis Tresen).
Thorjin: Der Keiler hat mir mal wieder gezeigt, warum ich damals überhaupt zu DSA gekommen bin. „Erkunden“ und „Schätze finden“ als Kern des A(d)ventures machen – zumindest mir – auch heute noch Spaß. Die Regeln sind simpel und funktionieren, die Kämpfe sind spannend, da man durchaus auch verlieren kann. Aber vor allem merkt man auch beim Keiler schon, dass es da eine Welt jenseits des einzelnen Abenteuers gibt, die man erforschen kann. Sicher, das war damals alles noch nicht ausgestaltet, und manche Setzungen wirken heute skurril oder lächerlich – man muss nur bedenken, dass es zu diesen Zeiten unser heutiges Aventurien vom heiligen Kanon noch nicht gab. Die Rückkehr in diese damals vom Hintergrund her noch zwanglose Welt ist für mich immer wieder erfrischend, da sie mich auch heute noch ermuntert, mir in meinem Aventurien die Freiheiten zu nehmen, die ich möchte, egal was irgendwo geschrieben steht. Nicht, dass man mich missversteht: Ich mag auch die Beschreibungsdichte des heutigen Aventuriens, aber ich lasse mich gerne daran erinnern, dass diese nur ein Angebot ist, aus dem man sich nach Wunsch bedienen kann, aber nicht muss. In diesem Sinne: „Machst ja manchmal schlimme Sachen, über die wir trotzdem lachen, denn du bist, wir kennen dich, doch nur Farb- und Pinselstrich“. (Brobo zu Alrik und Imion beim Betrachten eines Gemäldes des Grafen Greifax).
Nachtrag
Der Posten des Bestienmeisters im Keilergewölbe ist wieder frei. Bewerbungen bitte unter Angabe aktueller Kontaktinformationen und vollständigem Lebenslauf an:
Seine Grotogaraxigkeit Graf Baldur Greifax von Gratenfels der Große
c/o Schmidt Spiele
Burg 1
Gratenfels (Mordmarken)
Wir wünschen allen Interessentieren viel Erfolg und sagen: Bis zum nächsten Mal!
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