Schöner Leben mit DSA, Teil 3: Hilfreiche Rezensionen

Zum Geleit

Schöner Leben LogoRezensionen gehören zu einer aktiven Fanszene wie Endlosdiskussionen, Spaltungen in Kleingruppen (DSA5-Fans, DSA4-Fans, Fans der obskuren DSA-0-Version, die von Kiesow einst auf Matrizenpapier verteilt wurde) und kurzzeitige Verbrüderungen im Lichte gemeinsamer Gegner (Pathfinder! Der Kapitalismus! Die Anti-Gewaltspielpädagogen vom Zweiten Sozialdemokratischen Konzil!). Rezensionen sind wichtig, nicht nur für Fans und potentielle Kunden, sondern auch für die Autoren und Verantwortlichen, denen Verkaufszahlen zwar einen Hinweis darauf geben, was gut oder schlecht ankommt, aber meist keine hinreichende Erklärung dafür, warum.

Trotz gelegentlicher Abgesänge erfreuen sich DSA-Rezensionen im Netz auch weiterhin großer Beliebtheit. Wer sucht, der findet an vielen Stellen mehr oder weniger regelmäßige Besprechungen aktueller Produkte.

So etwa bei: Engors Dereblick, Nandurion, in manchen Foren mit DSA-Fokus, Orkenspalter TV und Phexarius (beide im Videoformat), Eine Bücherwelt, Teilzeithelden, gelegentlich bei Der Riesländer und Arkanil, teils bei Amazon, und natürlich unregelmäßig auch hier bei Asboran.

Damit das auch so bleibt, möchte ich alle Leserinnen und Leser dieses Textes ermutigen, Rezensionen zu schreiben. Als Anregung stelle ich im Folgenden einige Überlegungen dazu vor, was meiner Ansicht nach eine hilfreiche Rezension auszeichnet, also eine Besprechung, die sowohl für potentielle Leser bzw. Spieler als auch für die Autoren und Verantwortlichen von Nutzen ist.

Die hilfreiche Rezension

Abstrakt gesprochen, ist es natürlich einfach, zu sagen, was eine hilfreiche Rezension auszeichnet: Sie informiert über das besprochene Produkt und bewertet dieses abschließend, um auf diese Weise über Inhalt und Qualität des Werkes Aufschluss zu geben. Der Bruderlose steckt allerdings im Detail, vor allem in der Frage, wie die genannten Kriterien konkret zu verstehen und anzuwenden sind. Was mir bei der Diskussion von Rezensionen mitunter auffällt, ist das Aufeinanderprallen zweier Standpunkte: Ist jemand der Ansicht, eine Rezension sei zu gut oder zu negativ ausgefallen, wird dem Rezensenten schnell unterstellt, die Rezension sei „bloß subjektiv“, was wiederum zu der Replik einlädt, dass hiermit deshalb kein fairer Kritikpunkt geäußert wurde, da nun mal jede Rezension „bloß subjektiv“ sei.

In beiden Ansichten steckt ein Funke Wahrheit. Sicherlich verdienen Rezensionen insofern „subjektiv“ genannt zu werden, als sich die Bewertung eines Rollenspiel-Produkts an der Frage orientieren sollte, inwiefern dieses den Interessen und Vorlieben der Spieler und Leser entgegen kommt. Die Idee, es könne sehr gute Produkte geben, die niemand mag, oder sehr schlechte, die alle mögen, wirkt abwegig. (Und selbst, wenn man sie verteidigen könnte – warum sollte man gute Produkte kaufen, die dem eigenen Geschmack nicht entsprechen, oder sich für Rezensionen interessieren, aus denen man nichts darüber lernt, ob einem die bewerteten Produkte gefallen?) Zugleich macht man sich es als Rezensent aber zu einfach, wenn man das eigene Geschmacksempfinden und die eigenen Interessen ungefiltert zum Wertungsstandard erhebt.

Warum, zeigt folgender Vergleich: Stelle Dir, lieber Leser oder liebe Leserin, einmal vor, Du bräuchtest eine neue Säge und möchtest Du Dich vor dem Kauf im Internet über verschiedene Angebote informieren. Auf der Seite von www.werkzeugwertung24.de findest Du nun eine vernichtende Rezension zur neuen Fuchsschwanz Deluxe, deren Kritik im Wesentlichen durch den Satz „Ich wollte einen Hammer und bekam diese Säge: Null Punkte“ zusammengefasst wird. Das ist – da sind wir uns hoffentlich einig – wenig hilfreich. Ähnliche Probleme können bei DSA-Rezensionen auftreten, wenn z.B. bei einem stark storyfokussierten Abenteuer bemängelt wird, dass es keine Sandbox sei,  wenn die Karten einer Spielhilfe als zu sehr (oder zu wenig) fotorealistisch kritisiert werden,  oder wenn bemängelt wird, dass eine Spielhilfe, die vorrangig Aspekt X einer Region/Organisation/Institution etc. behandelt, nicht vorrangig Aspekt Y thematisiert.

khunchomer pfeffer ii cover

Ist es ein Krimi? Ist es ein Fantasyroman? Ist es die aventurische Fassung von „Tatort“ im Paperbackformat?

Wie lässt sich nun der Idee Rechnung tragen, dass Bewertungen von DSA-Produkten interessenabhängig sind, ohne hierbei in die „Hammer statt Säge“-Falle zu tappen? Vorschlag: Indem man sich fragt, was die Interessen der Zielgruppe des Produkts sind und diese zum Maßstab der Bewertung macht. Dies ist übrigens nur eine Variante der plausiblen Idee, dass man kein Produkt einfach nur so bewertet – man bewertet jedes Produkt als etwas Bestimmtes. Es macht bspw. einen Unterschied, ob man einen DSA-Kriminalroman als Kriminalroman, als DSA-Kriminalroman, als Fantasy-Roman oder als Fantasy-Kriminalroman beurteilt – siehe hierzu etwa Vibarts Voices Rezension zu Kunchomer Pfeffer II bei Nandurion, wo diese Frage einleitend thematisiert wird und auch in die nachfolgende Bewertung eingeht.

Die Vorlieben der Zielgruppe zum Maßstab zu nehmen, ist einfach, wenn man Grund zur Annahme hat, dass die eigenen Interessen mit denen der Zielgruppe im Großen und Ganzen übereinstimmen. Des Weiteren gibt es natürlich auch einige Interessen, bei denen man davon ausgehen kann, dass sie in jeder Zielgruppe geteilt werden, wie bei DSA-Büchern etwa ein Interesse an interner Konsistenz, an fehlerfreier und lesbarer Sprachverwendung sowie an einer Qualität von Papier, Druck und Bindung, die mehr als einen Lesedurchgang ohne Schäden zulässt. Oft wird man aber auch vor die Herausforderung gestellt, ein Produkt zu bewerten, dessen Zielgruppe ganz andere Interessen hat als man selbst.

Hierzu ein kleiner Erfahrungsbericht am Rande: Ich habe nur einmal ein DSA4-Regelbuch rezensiert – Wege nach Tharun – da ich das DSA4-Regelwerk in seinen Grundzügen nicht mag und daher auch nicht zur Zielgruppe dieser Regelbücher gehöre. Durch viele Jahre Austausch mit DSA4-Fans, diverse Infos von Tharun-Workshops und durch die geduldigen Erläuterungen der Nanduriaten Sedef und Cifer fühlte ich mich am Ende aber gut gerüstet, um einzuschätzen, welche DSA4-typischen Interessen der Band bedienen will und wie gut ihm dies gelingt. So kam es zu einer alles in allem positiven Gesamtwertung für ein Buch, das meinen eigenen Spielinteressen nur sehr eingeschränkt entspricht. Damit will ich nun nicht meine Rezension loben. Ich denke aber, dass man ihr zumindest nicht vorwerfen kann, dass sie vorrangig meine eigene Abneigung gegenüber DSA4 zum Ausdruck bringt und daher für die Zielgruppe des Bandes irrelevant ist.

Ein gewichtiges Mitspracherecht bei der Frage, was Zielgruppe eines Produkts ist, hat das Produkt selbst. Leider teilen einem z.B. nicht alle DSA-Bücher explizit mit, an wen sie sich richten, und selbst wenn sie, ihre Autoren oder durch den Verlag geschaltete Ankündigungen dies tun, sind Irrtümer nicht ausgeschlossen. Manchmal kommt es z.B. vor, dass Ankündigung und Endprodukt hinsichtlich der Zielgruppenzuordnung drastisch auseinanderfallen. Der Band Handelsherr und Kiepenkerl war etwa ursprünglich als Ausrüstungsband angekündigt und beworben worden, wurde am Ende aber als Handelsband konzipiert und umgesetzt. Auch Krieger, Krämer und Kultisten entsprach zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nur noch sehr eingeschränkt dem Konzept, unter dem es einst angekündigt worden war. In solchen Fällen gilt es, Kritik an der Vermarktung und Ankündigung von Kritik am Produkt zu unterscheiden. Für letztere sollte zählen, was letztendlich als Zielgruppe des Bandes gelten kann – unabhängig davon, was ursprünglich einmal als Zielgruppe des Bandes angekündigt worden war. Eine gute Säge bleibt schließlich auch dann eine gute Säge, wenn sie aus Versehen als Hammer beworben wurde.

Eine einigermaßen zuverlässige, wenn auch nicht fehlerfreie Heuristik für die Bestimmung der Zielgruppe ist die folgende Frage: „Welche Interessen muss man haben, damit das Produkt einem nicht von vornherein egal ist?“ Dies erklärt übrigens auch, warum Rezensionen, die konsequent zielgruppenorientiert bewerten, selten in totale Verrisse ausarten. Wenn etwa ein Produkt die Interessen von Gruppe A gar nicht, die von Gruppe B hingegen recht gut bedient, dann ist die Annahme, dass B statt A die relevante Zielgruppe ist, in gewisser Hinsicht die wahrscheinlichere. Man muss hierbei aber vorsichtig vorgehen. Auch der schlechteste Band ließe sich schließlich mit der Begründung „Ein perfektes Geschenk für jeden, der schlechte Bücher sammelt“ mit Höchstwertung versehen. Im Zweifelsfall sollte daher auch darauf geachtet werden, dass die unterstellte Zielgruppe tatsächlich existiert und nicht für die Rezension künstlich zusammenfantasiert wurde.

Bei manchen Produkten ist eine Zielgruppe nicht einfach zu bestimmen. (Zählen etwa überzeugte DSA4-Fans mit zur  Zielgruppe des DSA5-Regelwerks?) In besonders schwierigen Fällen hilft nur eine willkürliche Entscheidung, und als Rezensent muss man in diesem Fall die relevante Zielgruppe notfalls aus dem Bauch heraus bestimmen. Als wie hilfreich sich eine solche Rezension erweist, ist dann in gewissem Maß zufallsabhängig. Ein besonders leicht zu bewertender Fall sind übrigens Produkte, die so konfus ausfallen, dass auch mit bestem Bemühen keine klare Zielgruppe mehr zu bestimmen ist. Was keinerlei Zielgruppe hat, kann schließlich auch nicht die Interessen seiner Zielgruppe bedienen, und in diesem Fall ist eine drastisch negative Wertung somit angemessen.

Keine klare Zielgruppe, keine Fans, und trotzdem ausverkauft - ewiges Rätsel DSA.

Keine klare Zielgruppe, keine Fans, und trotzdem ausverkauft – ewiges Rätsel DSA.

Das paradigmatische Beispiel für ein Produkt ohne klare Zielgruppe ist Handelsherr und Kiepenkerl. Dieser Band versucht, vollkommen disparate Interessen zu bedienen und schafft es am Ende, keinen davon wirklich gerecht zu werden. (Siehe hierzu etwa Xeledons Gastrezension bei Nandurion.) Vollkommen zu Recht erhält dieser Band daher ziemlich konsistent sehr schlechte Wertungen. Auch An Fremden Gestaden hat ein ähnliches Problem, da es sich nicht so richtig entscheiden kann, welche Art von Abenteuer es eigentlich sein will (siehe hierzu Thamors Rezension bei Nandurion). Ein aktuelles Beispiel, das in eine ähnliche Falle tappt, ist m.E. Auf Avespfaden, das über weite Strecken zwischen Weltbeschreibung und Soap Opera schwankt, ohne eins von beiden so richtig konsequent zu machen – wie etwa von Vibarts Voice in seiner Rezension auf Nandurion sehr gut herausgearbeitet. Wie es besser geht, zeigt dann erfreulicherweise das Brevier der Streitenden Königreiche, das einen ähnlichen Ansatz verfolgt, hierbei aber deutlich stringenter und geschickter vorgeht – siehe hierzu etwa den Disput zum Produktbundle Streitende Königreiche bei Nandurion.

Nun aber genug der allgemeinen Überlegungen, werden wir abschließend endlich konkret!

Vier Forderungen und vier gute Ratschläge

Aus dem bisher Gesagten ergeben sich für mich zunächst vier Forderungen an einen jeden Text, der für sich beanspruchen will, als hilfreiche Rezension aufzutreten.

  1. Sei relevant!

Eine Rezension ist eine Besprechung des vorliegenden Produkts, kein Vorwand, um mit Verlagen, Angela Merkel, 2000 Jahren Wirtschaftsgeschichte des Okzidents oder anderen Fangruppen abzurechnen. Wenn Du Dich mehr für so etwas interessierst, dann wähle ein anderes Textgenre.

  1. Sei so spezifisch wie möglich!

Nur zu schreiben, eine Romanfigur sei wenig plastisch, ein NSC handle nicht glaubwürdig oder ein Plot sei nicht plausibel, hilft Leserinnen und Lesern meist nur sehr wenig dabei, einzuschätzen, ob sie diese Ansicht teilen. Dies ändert sich, wenn Du genauer angibst, in welcher Hinsicht bspw. ein Charakter nicht plastisch oder ein Plot nicht plausibel ist, und diese Ansicht idealerweise auch durch Beispiele aus dem Text untermauerst. Die Rezension muss hierdurch nicht zwangsweise besonders lang werden. Die hohe Kunst besteht darin, spezifisch zu sein, ohne zu ausführlich zu werden – hier hilft allerdings nur kontinuierliches Üben und Ausprobieren. (Mir will das bis heute leider kaum  gelingen.)

  1. Sei ausgewogen!
immanuel Kant

Meinte es trotz Kritik gut mit der reinen Vernunft.

Es ist zwar eine Plattitüde, aber man kann es gar nicht oft genug wiederholen: Kritik bedeutet nicht negative Bewertung, sondern Beurteilung. Deshalb sollte man als Rezensent von vornherein nicht nur nach Fehlern oder nur nach positiven Aspekten, sondern immer nach beidem suchen – selbst wenn dies mitunter viel Arbeit kostet. Um nicht missverstanden zu werden: Die Forderung nach Ausgewogenheit betrifft die Herangehensweise an Produkt und Rezension, nicht deren Ergebnis. Es geht darum, sich bei der Suche nach Gelungenem und Misslungenem gleichermaßen Mühe zu geben, nicht darum, dass auf jeden Fall beides gefunden werden muss. In jeder Hinsicht perfekte Produkte, bei denen wirklich nichts zu verbessern oder optimieren wäre, sind ebenso selten wie in jeder Hinsicht gescheiterte – auch wenn es beide natürlich gibt. Die bedingungslose Lobhudelei, die ein Produkt zum besten aller Zeiten hochjazzt, dient daher, ebenso wie der kompromisslose Totalverriss, meist eher der Erbauung des Rezensenten als dem Erkenntnisgewinn der Leser. Beide sagen i.d.R. mehr über die einseitige Lektüre des Rezensenten als über das beurteilte Werk aus.

P.S. Dass Tatsachenbehauptungen zu Themen wie Inhalt, Umfang, Preis, Anzahl der Illustrationen etc. sachlich korrekt sein sollten, versteht sich von selbst und bedarf eigentlich keiner eigenen Erwähnung. Alles andere wäre eine Irreführung der Leser.

  1. Mache die Bewertungsstandards transparent!

Mache vor allem deutlich, was Du für die Zielgruppe des Bandes hältst und welche Vorlieben und Interessen Du dieser Zielgruppe zuschreibst. Leserinnen und Lesern wird es hierdurch deutlich erleichtert, sich selbst in Beziehung zu Deinem Gesamturteil zu setzen, was den Nutzen des Textes deutlich erhöht. Die finale Bewertung des rezensierten Produkts kannst Du am Ende bei Interesse in einer Wertungszahl zusammenfassen – hiervon sollte man sich aber nicht in die Irre führen lassen. Wo Zahlen drauf stehen, ist deshalb noch lange nicht mathematische Präzision und Objektivität drin, zudem bringen Punktwertungen nur dann etwas, wenn man dem Leser auch verständlich macht, was diese Zahlen bedeuten.

Soweit also meine Forderung. Des Weiteren möchte ich allen neuen und alten Rezensenten abschließend auch noch vier gute Ratschläge mit auf den Weg geben.

  1. Mache Deine eigenen Grenzen klar!

Man kann nicht alles kompetent beurteilen, daher empfiehlt es sich, in einer Rezension klar zu machen, was man glaubt, zuverlässig beurteilen zu können, und was nicht. Wer etwa bei Wahrscheinlichkeitsrechnung nicht besonders sicher ist, sollte bei der Rezension eines Regelwerks auf pseudo-stochastische Beurteilungen der Würfelmechanik verzichten und stattdessen lieber mitteilen, warum er zu diesem Thema nichts sagt. Hierdurch wird dann auch der Eindruck vermieden, dass man bestimmte positive oder negative Aspekte des bewerteten Produkts bewusst verschweigt.

  1. Bleibe höflich und respektvoll!

alrikVorabwarnung:  Da dieser Punkt unserem verkappten Kuschelpädagogem besonders am Herzen zu liegen scheint, wird es hier etwas ausführlicher und harmoniebärchiger. Wir bitten, dies zu entschuldigen, und möchten bei dieser Gelegenheit auch auf die alternative Haltung der Administratoren hinweisen, die da lautet: der Appetit kommt beim Beleidigen. – Alrik

reich ranicki

Meister des gepfefferten Verrisses. Der Satz „Wir haben uns zerstritten“ taucht in seiner Autobiographie dafür gefühlt auf jeder zweiten Seite auf.  Es ist kompliziert. (Quelle: Wikipedia, Nutzer Smalltown Boy, Lizenz CC-BY-SA 3.0 )

Diese Empfehlung betrifft den Stil einer Rezension, nicht deren Inhalt. Mann kann sowohl der Sache nach harte inhaltliche Kritik ohne persönliche Angriffe formulieren, als auch positive Bewertungen beleidigend formulieren. (Um meine Deutschlehrerin in der 8. Klasse zu zitieren: „Einen so guten Aufsatz hätte ich einem derart charakterlosen Störenfried wie Dir gar nicht zugetraut.“) Vor allem rate ich dazu, der Versuchung zu widerstehen, bei jeder Gelegenheit so fies und sarkastisch wie nur möglich zu formulieren. So wird es nämlich gerade Autoren und Verantwortlichen schwer fallen, sich offen und konstruktiv mit der Kritik zu beschäftigen, und auch manchem Leser kann ein betont aggressiver Schreibstil auf Dauer eher die Laune verderben.

Nach meiner Erfahrung sind Autoren von DSA-Werken keine gefühlslosen Automaten, die nur des Geldes wegen dabei sind und denen es egal ist, wie ihre Werke bei der Zielgruppe ankommen, sondern engagierte Fans, die das Spiel in seinen verschiedenen Facetten bereichern möchten. Man muss ihnen dafür nicht dankbar sein, aber kann ihnen gegenüber zumindest ein gewisses Ausmaß an Höflichkeit und Respekt waren – auch dann, wenn man der Ansicht ist, dass sie etwas total in den Sand gesetzt haben. Derlei erfordert wenig Aufwand, der Effekt ist enorm, und man selber profitiert auch davon – gegenüber anderen freundlich zu sein hebt schließlich auch die eigene Stimmung. Um aber nicht missverstanden zu werden: Meine Empfehlung läuft nicht darauf hinaus, dass man Autoren als hyperempfindliche Mimosen behandeln sollte, denen man jede Form von Kritik in gewaltfrei gezupfter Zuckerwatte präsentieren muss. Mir geht es vielmehr darum, dass man es mit scharf formulierter Kritik leicht übertreiben kann, und auch wenn die Grenze im Einzelfall mitunter schwer zu bestimmen ist, hilft es, sich hin und wieder einmal zu fragen, wie die eigenen Worte beim Gegenüber ankommen werden.

Kleiner tavernenpsychologischer Exkurs am Rande, nebst einem erhobenem Zeigefinger: Ich vermute, dass Zynismus, Sarkasmus und hämische Ironie vor allem deshalb häufig in Rezensionen vorkommen, weil die Verfasser das hehre Ziel verfolgen, ihre Leser durch etwas Humor zu unterhalten, und gallig-negativer Humor meist einfacher zu erreichen ist als positiver oder lobender. In manchen Fällen scheint auch das Bedürfnis eine Rolle zu spielen, mit einer gepfefferten Polemik solche Missstände anzuprangern, die ohne Rücksicht auf individuelle Befindlichkeiten hart kritisiert und sanktioniert gehören (seien es sexistische oder rassistische Tendenzen, die Verharmlosung von Gewalt oder der Klassiker: das skrupellose Streben nach Profit). Mit derlei Vorwürfen ist es aber wie mit Motorsägen: Man sollte sie nur dann verwenden, wenn man sich sehr sicher sein kann, sie richtig bedienen zu können. Bevor man moralische Schwerkaliber auspackt, sollte man sich sehr gründlich vergewissern, dass der geäußerte Vorwurf in der Sache begründet ist und nicht der eigenen Neigung zur schnellen Verurteilung geschuldet ist. Die Kritik wird hiermit schließlich zwangsläufig auf eine persönlich-emotionale Ebene verlagert, auf der Fehler nicht nur deutlich schwerer wiegen und ein Diskussionsklima nachhaltig vergiften, sondern auch eigentlich hehre Anliegen diskreditieren.

  1. Wenn möglich, mache konkrete Verbesserungsvorschläge!

Verbesserungsvorschläge sind ein nettes Bonus-Feature, das den Nutzen einer Rezension ungemein erhöht. Wenn ich über ein Abenteuer z.B. lese, die Motivation des Hauptcharakters sei nicht ausreichend, um das Handlungsgeschehen zu erklären, dann lässt mich das womöglich noch unschlüssig zurück, weil ich mir unsicher bin, ob man diese Lücke als Spielleiter ohne allzu viel Anstrengung füllen kann. Wenn der Rezensent mir aber auch einige Anregungen dafür mitgibt, wie ich diese Lücke schließen kann, dann hilft mir dies, genauer einzuschätzen, ob – und mit wieviel Aufwand – ich die Defizite des Abenteuers beheben könnte.

  1. Lies Deinen Text Korrektur – oder lasse dies jemanden für Dich machen!
duden

Maßgebend in allen Zweifelsfällen, stilistisch dafür etwas zu trocken. Macht 5 von 8 Lilien.

 Zum einen tust Du Deinen sprachsensibleren Leserinnnen und Lesern damit einen großen Gefallen, zum anderen macht weitgehende Fehlerfreiheit Deine Beurteilung vor allem dann deutlich glaubwürdiger, wenn diese sich auch auf die sprachliche Gestaltung eines rezensierten Textes richtet. Natürlich muss man etwas nicht selbst besser machen können, um es kritisieren zu dürfen, aber wenn ein Text bspw. in grauenhaftem und fehlerhaftem Deutsch die Sprachqualität eines Romans kritisiert, dann wirft dies für die Leser starke Zweifel daran auf, dass der Rezensent überhaupt in der Lage ist, die sprachliche Qualität eines Textes zu beurteilen.

War etwas Hilfreiches für euch dabei? Falls ja, dann freuen wir uns über Rückmeldungen in der Kommentarspalte. Und solltet ihr nun Interesse an einer Rezension haben und keinen geeigneten Ort für diese finden – Asboran hat immer zwei offene Ohren für euch. Einfach Email an alrik@asboran.de schreiben!

6 Kommentare

  1. Sehr guter & hilfreicher Artikel. Beim Thema Zielgruppen gehts m.E. aber um Abwägung. Ich finde es gut wenn Blogautoren z.B. nicht die Zielgruppe Sammler_innen die nicht selbst spielen zu sehr berücksichtigen (wenn ihnen das nicht liegt), sondern z.B. auch in einem Regelbuch die Zielgruppe derjenigen, denen zu detaillierte & komplizierte Regeln eher unangenehm ist und die auch in einem Regelbuch ein Interesse v.a. an Schlankheit und Übersichtlichkeit haben. Sinnvoll ist dabei m.E. eine gewisse Konsistenz der Rezensenten, damit Leute aus der jeweiligen Zielgruppe dann halt gut feststellen können, ob das jeweilige Buch für sie geeignet ist an der richtigen Stelle nachlesen können. Oder halt gut kennzeichnen.

      

    • Josch

      29. September 2016 at 19:12

      Danke für Deinen Kommentar! Den Punkt, den Du ansprichst, finde ich auch wichtig – zumal die meisten Rollenspielbücher m.E. in der Regel eh nicht primär die Zielgruppe der Sammler bedienen, sondern auf die Verwendung und Umsetzung am Spieltisch ausgerichtet sind. Bei unklaren Fällen finde ich es auch hilfreich, wenn es mehrere konsistente Rezensentenmeinungen gibt, die jeweils verschiedene Zielgruppeninteressen beleuchten, und auf die ich als Leser dann zurückgreifen kann, um mich zu positionieren.

        

  2. Sehr relevanter Artikel! 🙂
    Bei einer Sache möchte ich widersprechen: gegen ein Crossover aus mehreren Genres wie bei Auf Avespfaden ist doch generell nichts einzuwenden. Vielleicht möchte ja gerade jemand einen Reisebericht mit Soap-Opera-Elementen lesen?

      

  3. Danke für Deine Ratschläge, Josch. Inzwischen verstehe ich, dass sie nicht (nur) Best Practices sind, sondern das Ergebnis der Fragen nach dem Selbstbild des Rezensierenden. Der wichtigste Schritt dorthin ist der erste sich auf diese Rolle einzulassen.

      

    • Josch

      23. Juni 2020 at 11:56

      Vielen Dank für das Feedback! Genau so war’s gemeint: Wer eine Rezension schreibt, sollte m.E. am besten die Rolle des Rezensenten annehmen, und nicht die Rezension als Anlass nehmen, was anderes zu tun. Das ist, rückblickend betrachtet, auch für viele meiner Rezensionen eher ein Ideal als Ausdruck tatsächlicher Praxis. Aber ich würde sagen, es ist ein Ideal, deren Sinn sich mir durch jahrelanges Rezensieren erschlossen hat.

        

  4. Danke, sehr hilfreich. Ich habe etwas über mich gelernt und werde meine nächste Rezension in diesem Sinne etwas anders angehen.

      

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