Warum Maraskan besonders schön ist
— von Josch
Zum Geleit
Maraskan hat eine kleine und treue Fangemeinde, dürfte bei der Mehrzahl der DSA-Fans aber nicht weit oben auf der Liste der Lieblingsregionen stehen. Viele DSA-Spieler und Spielerinnen sagen auch ganz direkt, dass sie mit dem Setting nicht viel anfangen können. Dies mag zum einen an möglichen Missverständnissen liegen – hierzu schreibe ich in Teil IV des Reiseführers bald mehr. Zugleich mag aber auch eine Rolle spielen, dass Maraskan, im Unterschied zu vielen anderen aventurischen Settings, keine klare DSA-externe Vorlage hat. Eine charakteristische Stärke von Aventurien ist nämlich ohne Frage, dass viele seiner Regionen sich an irdische oder fiktive Vorlagen anlehnen, ohne sich jedoch in Kopien zu erschöpfen. Dies erleichtert den Einstieg und lässt einem die verschiedenen Settings schnell vertraut erscheinen.
Ein paar ausgewählte Beispiele: Für die Thorwaler standen die irdischen Wikinger Pate. Weiden und Andergast lehnen sich ans europäische Hochmittalter an. Zwerge, Elfen und Orks finden ihre Vorlagen bei Tolkien. Das Horasreich ist in vielen Hinsichten dem Italien der Renaissance und dem Frankreich des Absolutismus ähnlich. Für die Tulamidenlande haben die Erzählungen aus 1001 Nacht Modell gestanden. Teils gilt dies auch für Aranien, wobei hier auch das Indien vor der englischen Kolonialisierung Inspiration war. Bei Al’Anfa kann man in vielen Hinsichten ans antike Rom denken. Die Zylopeninseln erinnern dagegen in vielen Aspekten an das antike Griechenland und dessen Sagenwelt.
Bei Maraskan sieht das etwas anders aus. Auch hier finden sich zwar verschiedene Anleihen, aber insgesamt scheint mir Maraskan das einzige aventurische Setting zu sein, für das es außerhalb des DSA-Kosmos keine eindeutige Vorlage gibt, an der man sich in seinen Vorstellungen orientieren kann. Dies könnte erklären helfen, warum selbst viele DSA-Begeisterte mit dem Setting eher fremdeln.
Hier mag nun manche Bruderschwester kritisch nachfragen wollen: Orientiert sich Maraskan etwa nicht an fernöstlich-asiatischen Vorbildern, bzw. an bestimmten popkulturellen Klischeevorstellungen hiervon? In Teilen mag dies zutreffen, allerdings halte ich den externen Bezug bei Maraskan für deutlich weniger ausgeprägt als bei anderen DSA-Settings. Die Vorstellung, dass Maraskan vor allem ein fernöstlich geprägtes Setting ist, scheint mir zudem das am weitesten verbreitete Missverständnis Maraskans zu sein. Mehr dazu schon bald in Teil IV des Reiseführers.
Ich würde sogar sagen: Maraskan ist der vielseitigste Mikrokosmos im gesamten DSA-Universum, und nirgendwo sonst ist DSA so innovativ und fernab des Rollenspiel-Mainstreams wie hier. (Das bedeutet allerdings nicht, dass Maraskan einzigartig wäre – dazu weiter unten gleich mehr.) Maraskan kann daher auch Aventurienkennern, die jeden sonstigen Fleck des Kontinents bereits bis ins letzte Detail bespielt haben, noch ein völlig neues Spielerlebnis bieten, wenn sie bereit sind, dem Setting unvoreingenommen zu begegnen.
Um euch davon zu überzeugen, dass sich ein solcher Versuch lohnt, werde ich im Weiteren vier Aspekte, die Maraskan in meinen Augen zu etwas Besonderem machen, ausführlicher beschreiben. Ich hoffe, dass zumindest manche Leserinnen und Leser sich dadurch angeregt fühlen, einmal selbst die Reise nach Maraskan zu wagen und intensiver in diesen Teil der Spielwelt einzusteigen. Wie dies am besten geht, dazu geben Teil 1 und Teil 2 des Reiseführers zahlreiche Anregungen.
Übrigens: Wer nicht alles Nachfolgende lesen möchte, kann mittels der folgenden Links auch direkt zu den einzelnen Teilen springen:
1. Die maraskanische Weltsicht
Die maraskanische Weltsicht ist in vielerlei Hinsicht Ausgangspunkt dessen, was Maraskan reizvoll und besonders macht. Daher beschreibe ich sie hier etwas ausführlicher als den Rest. Mit „maraskanischer Weltsicht“ meine ich dabei ein Gemisch von religiösen und philosophischen Annahmen, die das gesamte Leben, Denken, Fühlen und Handeln der Maraskaner durchdringen und zugleich vielfältige Deutungen ermöglichen. Die wichtigsten dieser Annahmen stelle ich nun kurz vor und erläutere ebenfalls, warum ich sie für bemerkenswert halte.
Die Welt ist ein göttliches Geschenk, und daher ist sie schön und vollkommen.
Die Welt ist nach maraskanischer Lehre ein Diskus, den die Schöpfergottheit Rur ihrem Bruder Gror, der zugleich ihre Schwester ist, als Geschenk erschuf und zuwarf. Da die Welt ein göttliches Geschenk ist, ist sie in jeder Hinsicht schön und vollkommen. Die maraskanische Weltsicht ist somit eine durch und durch positive: Die Welt hat einen schönen Ursprung, einen schönen Zweck und ein schönes Ziel, und sie ist ein schönes und unermesslich reichhaltiges Geschenk. Die Welt beginnt mit einem wohlmeinenden Schöpfungsakt, und sie wird einst ebenso wohlwollend aufgenommen werden. Im Vergleich dazu wirken die blutrünstige Schöpfungsgeschichte des klassischen Zwölfgötterglaubens (Neid, Kampf, Totschlag und ein ewiger Sterbeprozess) und dessen Vorstellung vom Ende der Zeit (noch mehr Kampf und Totschlag) erschreckend trostlos.
Die maraskanische Weltsicht ist aber nicht nur erfrischend heiter, sie bietet auch spannende rollenspielerische Herausforderungen. Die Schönheit der Welt erschließt sich einem, vorsichtig formuliert, nicht immer sofort – Grubenwürmer, Riesenspinnen und allerlei sonstige unappetitliche Dinge beweisen dies hinlänglich. Wer die Schönheit der Welt in allem entdecken möchte, muss also hart an sich und seinen Erkenntnisfähigkeiten arbeiten.
Der Weltendiskus durchschneidet den Äthrajin, die Heimstatt der Dämonen
Milhibethjida die Kindliche bringt es am besten auf den Punkt: Nicht die Schönheit der Welt wird durch die Dämonen bedroht, sondern der Weltendiskus als Waffe bedroht die Ungeschaffenen, die dämonischen Wesen des Äthrajins, in deren Lebensraum er eindringt. Die Welt ist also nicht, wie der klassische Zwölfgötterglaube es lehrt, permanent von angreifenden dämonischen Horden bedroht, sondern sie ist – um eine beliebte maraskanische Formulierung aufzugreifen – der Stachel im Leib der Hässlichen, der Schönheit und Freude an den trostlosesten aller Orte bringt und die Feinde der Schöpfung so das Fürchten lehrt. Mehr Motivation im Kampf gegen das Chaos lässt sich schwer finden.
Die 64 Fragen des Seins
Wenn der Weltendiskus eines Tages sein Ziel erreicht, wird Gror den Gläubigen die 64 Fragen des Seins beantworten. Als Rur-und-Gror-Gläubiger kann man den Zweck der eigenen Existenz daher in Neugier und im Streben nach Erkenntnis der Schönheit der Welt sehen. Das dürfte selbst die Erkenntnisbemühungen der Hesindekirche in seinem Anspruch in den Schatten stellen.
Die zwölfgöttlichen Geschwister als Beschützer und Bruderschwestern der Gläubigen
Innerhalb des Rahmens, der durch den Glauben an Rur und Gror abgesteckt wird, finden sich viele Elemente des klassischen Zwölfgötterglauben wieder – jedoch in teils deutlich abgewandelter Form. Die zwölfgöttlichen Geschwister gelten Maraskanern als von Rur eingesetzte Beschützer der Schönheit der Welt, und ihre Aufgaben gemäß der maraskanischen Weltsicht unterscheiden sich teils deutlich von den Aspekten, die ihnen im Zwölfgötterglauben zugeordnet werden.
Maraskaner sind nicht nur in einem philosophischen, sondern auch in einem recht praktischen Sinne gläubig, allerdings lassen sie auf angenehme Weise jede Form von Frömmelei oder Unterwürfigkeit vermissen. Die Zwölfgeschwister verdienen für ihr Tun Respekt und Lob, aber man darf sie auch einmal auf Dinge hinweisen, die vielleicht bislang ihrer Aufmerksamkeit entgangen sind. Man wirft sich auch nicht vor ihnen in den Staub oder bittet um Vergebung und Gnade. Auch Rur und Gror werden nicht angebetet. Stattdessen wird die Schönheit der Welt gepriesen, und man zeigt sich dankbar, indem man dieses Geschenk bewahrt und wertschätzt. Wer mit religiöser Unterwerfung und Selbsterniedrigung wenig anfangen kann, wem Elfen in ihrer Indifferenz oder Magierphilosophen in ihrem Atheismus aber zu radikal sind, der dürfte mit der maraskanischen Sicht auf die Götter einen schönen Kompromiss geboten bekommen.
Das dualistische Schema zum Verstehen der Welt
Die maraskanische Sicht der Welt ist streng dualistisch. Schon Rur und Gror sind sich zugleich Bruder und Schwester, und alles, was zur Schönheit der Welt beiträgt, hat einen Widerpart oder ein passendes Gegenstück (wobei zu solchen Paaren auch wiederum Gegenpaare nach einem passenden Kriterium gesucht werden, usw.). Der maraskanische Dualismus bringt weiterhin einen ausgeprägten Hang zur Zahlenmystik mit sich, bei dem v.a. den Zahlen 2 und 4 (als 2 x 2 eine vollkommene Zahl) eine besondere Bedeutung zukommt.
Der Begriff des passenden Gegenstücks oder Widerparts ist nicht so scharf gefasst, dass im Einzelfall immer eindeutig zu bestimmen wäre, was genau als Paar im relevanten Sinne zu gelten hat. In der Regel sind vielmehr verschiedene Deutungen möglich. Obwohl Einzigartigkeit Maraskanern als höchst verdächtig und „einzigartig“ als übles Schimpfwort gilt, bedeutet Dualismus auf maraskanische Art nicht, dass jedes Ding einen Doppelgänger hat. Der Tag und das Licht sind bspw. Teil der Schönheit der Welt, weil es die Nacht und die Dunkelheit als passende Gegenstücke gibt. Daher ist Maraskan selbst auch nicht einzigartig (obwohl es besonders ist). Denn ganz sicher hat Maraskan ein passendes Gegenstück im DSA-Kosmos. Welche Region könnte das sein? Vielleicht Nostria? Oder doch eher die Nordmarken? Womöglich auch das Yetiland? Eine spannende Frage – Erörterungsvorschläge sind willkommen!
Radikale Diesseitsorientierung
Maraskaner leugnen die Existenz jenseitiger Paradiese, in welche die Seelen nach dem Tod eingehen. Stattdessen glauben Maraskaner, dass die Seelen nach dem Tod des Körpers durch Boron von ihren Erinnerungen gereinigt und von Tsa mit einem neuen Körper ausgestattet werden, so dass sie wiedergeboren werden und erneut auf die Reise in die dritte Sphäre gehen. Die dritte Sphäre ist für Maraskaner also kein bloßes Durchgangsstadium auf dem Weg ins Jenseits, wo die Seele dann ihrer eigentlichen Bestimmung zugeführt wird. Die dritte Sphäre ist vielmehr der Ort der eigentlichen Bestimmung einer jeden Seele, an den sie stets zurückkehrt.
Dies bringt ein vergleichsweise gelassenes Verhältnis zum eigenen Tod mit sich. Der Tod ist schließlich nicht das Ende der leiblichen Existenz, sondern nur das Ende einer bestimmten Episode. (Dies mag auch teilweise die Sturheit erklären, mit der Maraskaner sich ihren Feinden widersetzen.) Es bedeutet aber nicht, dass Maraskanern ihr Tod völlig gleichgültig wäre, und es birgt Herausforderungen ganz eigener Art. Ein erzwungener Neustart mit Verlust aller Erinnerungen ist in den meisten Fällen nicht wünschenswert, und beim Verlust eines geliebten Menschen gibt es für Personen mit maraskanischer Weltlicht keine Hoffnung, mit der vermissten Person nach dem eigenen Tod an einem jenseitigen Ort wiedervereint zu werden.
Die Verschmelzung von Religion, Philosophie und Wissenschaft
In der maraskanischen Weltsicht vermischen sich Philosophie, Religion und Wissenschaft. Letztendlich ist alles Teil der Lehre von der Schönheit der Welt, sodass die Priesterschaft der Zwillinge Wissenschaft und Philosophie betreibt und Philosophen sich der Auslegung religiöser Fragen widmen. Die Welt ist schön und vielfältig, und dasselbe gilt für den Versuch, sie zu erforschen, zu verstehen, zu erklären und zu begreifen.
Selber denken macht selig!
Die maraskanische Auffassung des Lebens, des Universums, und des ganzen Rests ist innerhalb bestimmter Vorgaben äußerst offen für unterschiedliche Deutungen und Ausgestaltungen. Das eigene Denken läuft hier kaum Gefahr, als ketzerisch gebrandmarkt zu werden, wenn es nicht den Feinden der Schöpfung das Wort redet, denn die maraskanische Weltsicht ist zugleich philosophische Religion und religiöse Philosophie. Wohl nicht nur deshalb kennt keine Glaubensgemeinschaft so viele Untergruppen und Sekten wie die maraskanische, die sich – im Großen und Ganzen – aber alle auf dem Fundament geteilter Annahmen bewegen. Gerade Ausnahmen und Grenzfälle bieten hier besondere rollenspielerische Herausforderungen, wie etwa Auslegungen des Rur-und-Gror-Glaubens, die sich in Schwarzmaraskan herausgebildet haben und sich von dort zu verbreiten drohen, oder solche, welche die Bedrohung durch den Namenlosen verharmlosen oder verschleiern.
2. Die maraskanische Kultur
Nicht nur die maraskanische Weltsicht, sondern auch die maraskanische Kultur ist in ihren Facetten – von Begräbnisritualen über Bau- und Braukunst bis hin zu Barttracht – reich an interessanten Besonderheiten. Auch wenn sich mittelreichische und im weitesten Sinne tulamidische Einflüsse oft noch erahnen lassen, ist das Ergebnis meist etwas völlig Neues. Ich konzentriere mich hier auf vier Aspekte, die mir besonders interessant und/oder ertragreich für den Spieltisch erscheinen.
Das Maraskani: Nirgendwo zeigt sich die Neigung der maraskanischen Kultur, vielfältige Einflüsse zu vereinen und hierbei neue Vielfalt zu generieren, deutlicher als in der maraskanischen Sprache. Das Maraskani ist aus dem Ruuz, einem praktisch ausgestorbenen Ferkina-Dialekt, und dem Garethi in jahrhundertelanger Vermischung hervorgegangen. Zugleich zerfällt es in zahlreiche Dialekte, die von Dorf zu Dorf variieren können. Eine Sprache, in der man andere als „dummsterere Pimpanaks“ beschimpfen kann, ist auf jeden Fall eine genauere Betrachtung wert.
Die Honinger Geschichten: Eine von mehreren Theatertraditionen auf Maraskan. Ein blutrünstiges und spannungsgeladenes Theater mit hohem Improvisationscharakter, Zuschauerinteraktion, unvorhergesehenen Wendungen und abschließender Erläuterung. Dagegen ist Vinsalter Oper so aufregend wie ein Besuch im Kanzleiviertels Elenvinas.
Die maraskanischen Beerdigungsrituale: Besinnliche Trauer und Beileid kennt die maraskanische Kultur nicht, stattdessen wird lautstark öffentlich bezeugt, dass die verstorbene Bruderschwester „unterwegs“ ist, bevor ihr noch 16 gute Ratschläge und ggf. auch 16 Forderungen für den nächsten derischen Aufenthalt mit auf den Weg gegeben werden. Natürlich ist dieser letztgenannte Brauch ziemlich witzlos, wenn man bedenkt, dass Seelen vor der Wiedergeburt von allen Erinnerungen gereinigt werden. Aber man weiß ja nie, vielleicht entgeht Bruder Boron in diesem Fall eine Kleinigkeit und es bleibt durch Zufall etwas hängen.
Maraskanische Spott- und Streitlust: Egal, ob es um Probleme des Alltags oder um tiefsinnige philosophische Fragen geht: Maraskaner lieben die verbale Auseinandersetzung, und hierbei geht es gerne und oft gepfeffert zur Sache. Trockene Dispute oder sachlich-nüchterne Argumentationen ohne eine ordentliche Dosis Polemik, Seitenhieb und Witz gibt es hier nur selten, was sich mit einem grundsätzlichen Respekt vor dem Gegenüber jedoch durchaus verträgt.
3. Persönlichkeiten Maraskans
Auch wenn sie in offiziellen Publikationen weniger präsent sein mögen als die wichtigsten Figuren anderer Settings, ist Maraskan reich mit NSCs gesegnet, die aufgrund von Agenda, Motivation, Hintergrund und Plot-Potential hochinteressante Charaktere sind. Ich werde dies an acht Beispielen illustrieren. Dazu jedoch eine Warnung: Die folgende Aufzählung kommt ohne Spoiler nicht aus. Die schlimmsten davon haben wir verdeckt, das Weiterlesen geschieht aber in jedem Fall auf eigene Gefahr!
Milhibethjida die Kindliche: Die aktuell wichtigste Priesterin des Rur-und-Gror-Glaubens, sowohl was Einfluss als auch was Kompetenz in Glaubensfragen betrifft. Die unkonventionelle und hochbegabte Priesterin war treibende Kraft hinter der Gründung Asborans und dort bis 1038 BF offiziell Hohe Schwester, danach arbeitet sie als Hohe Schwester von Sinoda und als Gegnerin der Königsidee an der Zukunft Maraskans. Dabei gerät sie auch in den Fokus verschiedener Feinde und ist daher stets auf der Suche nach geeigneten Verbündeten. Spoiler Anfang (zum Lesen den Text markieren) Milhibethjida ist der wiedergeborene König Dajin VII. und eine der sehr wenigen Personen Deres, die sich an ihr voriges Leben erinnern. Spoiler Ende
Die Skrechu: Spoiler Anfang (zum Lesen den Text markieren) Die älteste Verbündete Borbarads ist die letzte der Heptarchen, an der die Splitterdämmerung zudem bislang schadlos vorübergegangen ist. Ihre bloße Existenz ist bestenfalls einer Handvoll Eingeweihter bekannt. Selbst ein Chimärenwesen, arbeitet sie im Verborgenen an Plänen, die Rakorium Muntagonus’ schlimmste Befürchtungen übertreffen dürften, und sie hat direkt oder mittelbar Einfluss auf einige maraskanische Persönlichkeiten von Rang und Namen. Auch wenn es bislang noch keine konkreten Andeutungen gibt, in welche Richtung sich der Skrechu-Metaplot auf Maraskan langfristig entwickelt, ist die Skrechu auch ganz unabhängig von dessen Zukunft die perfekte graue bzw. grüne Eminenz, die im Hintergrund verborgen die Fäden zieht, und der Helden erst schrittweise und sehr langsam auf die Schliche kommen können. Spoiler Ende
Viderasab die Kupferne: Die Hohe Schwester Borans, die den Sieg des Shîkanydads nach der Befreiung der Stadt verkündete und von Milhibethjida in Asboran ausgebildet wurde, hat eine der wichtigsten Tempel-Positionen im Shîkanydad inne und dürfte nach Milhibethjida in der Priesterschaft der Zwillinge am meisten Einfluss haben. Sie gehört auch sonst zu den ausgefallensten maraskanischen Persönlichkeiten. Spoiler Anfang (zum Lesen den Text markieren) Viderasab ist die Araz’Zadma des Dienertums. Ihre Seele war in einem früheren Leben Teil eines echsischen Zirkels, der über das sog. Gedächtnis der Welt wacht. Auch in ihrem aktuellen Leben wird sie sich schrittweise einer echsischen Gestalt annähern. Als Vertreterin des Aspekts des Dienens ist sie zudem eine wichtige Wortführerin der maraskanischen Traditionalisten, die u.a. eine Rückkehr zum Königtum anstreben. Hierbei läuft sie Gefahr, für Einflüsterungen der Skrechu empfänglich zu werden. Spoiler Ende
Frumold aus Sinoda: Der Trinker und Freund der Rauschgurke hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich, und er ist durch seine Erfahrungen nicht nur mit einem tiefen Verständnis für die Irrungen und Wirrungen des Weltenlaufs ausgestattet, sondern auch mit der Bereitschaft, die Schönheit der Welt in allen Geschöpfen zu erkennen. Dabei hegt er zwar einige selbst für Maraskaner überraschende Ansichten (u.a. leugnet er die Existenz von Erzdämonen), er hat aber einen deutlich wacheren Geist, als viele auf den ersten Blick meinen. Als Hoher Bruder Borans ist er in eine äußerst verantwortungsvolle Position gelangt, dabei aber für Heldengruppen weiterhin sehr zugänglich und Spoiler Anfang (zum Lesen den Text markieren) zugleich sehr nah an den Veränderungen, die Viderasab ereilen – und die er besorgt und aufmerksam beobachtet. Spoiler Ende
Sarastro Dorkstein und Iradon Kolenfeld von Graî: Sarastro Dorkstein, Duumvir der Fürstkomturei, ist ein Bewunderer des ehemaligen Feldherren, Strategen und Militärdiktators Helme Haffax und der borbaradianischen Lehre scharlachkrautscher Prägung zugetan. Dämonenpakte lehnt er ab. Zusammen mit Co-Duumvir Iradon Kolenfeld von Graî, dem Komtur von Jergan und Bluttempler, unternimmt er ab 1040 BF den anspruchsvollen Versuch, die nach dem Tod Haffax’ führerlose Fürstkomturei auf Maraskan politisch und ideologisch zu stabilisieren. Für die Zukunft des Spielsettings Maraskan ist dies ein schwarzroter Segen, denn gleichermaßen kompetente wie rationale schwarzmaraskanische Gegner sind deutlich interessanter als fanatisch-verrückte Paktierer.
Dajin von Tuzak: Dajin lebte lange Zeit verborgen als glücklicher Tetrarch in Boran, bevor er als Anführer des Aufstands zunächst eine der wichtigsten Gestalten bei der Befreiung Borans und danach Verwalter der Stadt wurde. Dajin stammt aus einer maraskanischen Königslinie und genießt sehr hohes Ansehen im Volk. Spoiler Anfang (zum Lesen den Text markieren) Im Verborgenen verfolgt er den Plan, als König Dajin VIII. den Lilienthron Maraskans zu besteigen, und er steht dabei unter den Einfluss der Skrechu, die über ihn auch Entwicklungen auf der Insel im Verborgenen beeinflusst. Spoiler Ende
K’rzz: Spoiler Anfang (zum Lesen den Text markieren) K’rzz ist das Oberhaupt der Maraskanmarus im verborgenen Maru-Zha. Die äußerst intelligenten und selbstbeherrschten Maraskan-Marus stehen im Kampf um die Insel auf der Seite der Bewahrer der Schöpfung, verfolgen dabei aber vor allem auch eigene Ziele. Sie sind nicht nur inkognito auf der Insel zwecks Erforschung anderer Rassen unterwegs, sie verfügen in Maru-Zha auch über einen beachtlichen Hort alten Wissens. Eine Begegnung mit K’rzz in Maru-Zha dürfte für jede Heldengruppe daher eine der überraschendsten und denkwürdigsten Begegnungen auf Maraskan überhaupt sein. Spoiler Ende
4. Abenteuervielfalt
Auf Maraskan lässt sich m.E. so gut wie jede Art von Abenteuer spielen, und selbst innerhalb eines Abenteuers lassen sich verschiedenste Elemente harmonisch und sinnvoll kombinieren. Sowohl eine Vielfalt der Herausforderungen als auch eine Vielfalt von Stimmungen lässt sich hier prima umsetzen. Von lustig, grotesk und skurril über spannend und actionlastig bis hin zu gruselig und brutal, von Albernheit und Heiterkeit über Staunen und Verzweiflung bis hin zu Tragik und Trauer ist hier alles möglich – auch zusammen. Viele offizielle Abenteuer, die auf Maraskan spielen, illustrieren dies, sofern sie Vielfalt nicht mit Beliebigkeit verwechseln. Zwei besonders schöne Beispiele sind Der Baum und das Mädchen (aus der Anthologie Märchenwälder, Zauberflüsse) sowie Jenseits des Lichts.
Natürlich kann man als geschickter Meister letztendlich jede Art von Abenteuer überall ansiedeln, aber Maraskan ist besonders zugänglich für Vielfalt und Abwechslung. Dies liegt nicht nur an der Insel selbst, die als Schauplatz mit ihrer Vereinigung von Gegensätzen, mit ihrer geheimnisumrankten Geschichte, mit ihren gefährlichen und mysteriösen Orten, mit ihren Gefahren durch Flora und Fauna und mit ihren Bewohnern (u.a. Echsen, Tierkönige, Riesen und völlig unbegreifliche Wesenheiten) reichlich Abenteuermaterial liefert. Wo sonst schlägt man sich durch einen tödlichen und womöglich sogar dämonisch pervertierten Dschungel, in dem einen im schlimmsten Fall ein aus Schmetterlingen bestehendes Wesen vom Angesicht Deres tilgt, um dann von einem intelligenten und streitlustigen Riesenvogel verbal gedemütigt zu werden? Es gibt kaum einen Ort auf Maraskan, an dem nicht etwas Interessantes zu entdecken wäre.
Auch die verschiedenen Interessengruppen innerhalb des Shîkanydads (inkl. auswärtiger Agenten) sowie der Rahmen, der durch den offiziellen Metaplot gesteckt wird, machen Maraskan zu einem idealen Abenteuergebiet. Der Namenlose und seine Anhänger sind auf Maraskan in Zeiten des Sternenfalls ebenfalls nicht untätig, wobei der Bruderlose, wie er hier genannt wird, so manches Einfallstor in der maraskanischen Neigung zur Sektiererei finden kann. Mit einer verborgenen Bedrohung im Inneren der Insel sowie einem ebenbürtigen militärischen Gegner im Norden gibt es für aufrechte Maraskaner weiterhin würdige Gegner und hartnäckige Antagonisten. Mit den Priesterkaisern auf der Insel Jilaskan gib es zudem auch noch einige echte Spinner in der unmittelbaren Nachbarschaft.
Zu all dem passt, dass kaum ein Setting so reichhaltig mit offiziellen Mysterien und Geheimnissen gesegnet ist, die man als Spielleiter für die eigene Gruppe nach Herzenslust ausbeuten kann, wie Maraskan. Die Spielhilfe Schattenlande enthält hierzu einen sehr ertragreichen Fundus, der mir mehr Ideen an die Hand gibt, als ich bis zum Ende meiner DSA-Zeit noch werde umsetzen können, und der für die eher überschaubare Anzahl offizieller Abenteuer, die auf Maraskan spielen, mehr als entschädigt.
Um diese Behauptungen jetzt nicht in der Luft hängen zu lassen, schließe ich diesen Teil mit einer relativ willkürlichen Auswahl von 16 möglichen Abenteuerarten, die man auf Maraskan erleben kann:
- Agententhriller in Schwarzmaraskan (Spionage, Gefangenenbefreiung, Streuung von Fehlinformationen, Anzetteln von Rebellionen, Rekrutierung von Agenten der Gegenseite) oder in Weißmaraskan (Aufdeckung von geheimen Aktivitäten der Gegenseite)
- Militäroperationen an der Grenze zu Schwarzmaraskan oder im schwarzmaraskanischen Gebiet (bspw. Guerillamaßnahmen wie ein Überfall auf Enduriumlieferungen)
- Politische Intrigenabenteuer im Umkreis des Alabasternen Rats (in dem Helden auch selbst Positionen besetzen können), bspw. im Rahmen von Auseinandersetzungen zwischen Gegnern und Befürwortern der Königsidee
- Jagd nach Schmugglern und Piraten
- Eigene Betätigung als Schmuggler oder Piraten
- Sich auf die Suche nach den noch lebenden Maraskanechsen machen, sei es aus eigenem saurologischem Interesse oder im Auftrag anderer
- Expeditionen in den Dschungel, bspw. auf der Suche nach seltenen Tieren, seltenen Objekten, seltenen Pflanzen oder vermissten Vorgängerexpeditionen
- Kampf gegen dämonische Wesenheiten und Dämonenpaktierer (etwa am Friedhof der Seeschlangen, im Inselinneren, oder an bestimmten Orten in Schwarzmaraskan wie Hemandu)
- Jagd auf ehemalige Kollaborateure, mit allen damit einhergehenden Dilemmata und rollenspielerischen Herausforderungen, die sich im Kontext von Schuld und Strafe stellen
- Erforschung von Mysterien auf Grundlage der Draijsche aus den Heiligen Rollen der Beni Rurech, die ein steter Quell von Prophezeiungen und Mysterien sind
- Abenteuer, die Konflikte zwischen zurückkehrenden Exilanten und Alteingesessenen zum Gegenstand haben
- Abenteuer mit der Bruderschaft vom Zweiten Finger Tsas (z.B. gemeinsam gegen schwarzmaraskanische oder al’anfanische Agenten) oder gegen die Bruderschaft (wie beim Schutz von auserkorenen Opfern)
- Abenteuer, in denen eine besondere Gefahr von philosophischen Irrwegen ausgeht – man gedenke des unseligen Wirkens der Zaboroniten!
- Abenteuer, die das Wirken des Bruderlosen zum Gegenstand haben
- Abenteuer rund ums Thema Reinkarnation – vielleicht erinnert sich ein Held (vermeintlich?) an Ereignisse aus einem früheren Leben und will diesen nachgehen, oder die Helden werden beauftragt, vermeintliche Erinnerungen einer anderen Person zu prüfen.
- Archäologische Expeditionen an verborgene, vergessene oder tödliche Orte, z.B. in der Maraskankette oder im Amdeggynmassiv
Soweit meine Gedanken dazu, was Maraskan im DSA-Kosmos zu etwas ganz Besonderem macht. Im vierten Teil des Reiseführers werde ich auf mögliche Missverständnisse offizieller Setzungen eingehen, die den Zugang zu Maraskan erschweren können.
Nach reiflicher Überlegung habe ich übrigens beschlossen, die ursprünglich auf vier Teile angelegte Reihe der einführenden Texte zu Maraskan auf sechs Teile zu erweitern. Mit den beiden Ergänzungen zur Reihe – Maraskan in 64 Begriffen und Maraskanische Geschichte in 16 Einträgen ergibt sich so dann hoffentlich ein schönes Gesamtpaket von acht Texten. Sollte jemand von euch spezielle Wünsche haben, was in weiteren Texten der Reihe behandelt werden soll, lasst es mich wissen!
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